Ha, dachte ich, so wie ich die Segler kenne, gibt es doch bestimmt einen entsprechenden Brauch, und fragte einen befreundeten Segelexperten. Wahrscheinlich, so meine Vorstellung, würde entweder ein Tau in die Luft geworfen und je nachdem, auf welcher Seite des Masts es sich verfängt, dem einen oder dem anderen recht gegeben. Oder aber man hängt beide Streitenden so lange an Back- und Steuerbord über die Reling, bis einer nachgibt, Schuld und Schaden auf sich nimmt und der ganzen Crew eine Runde ausgibt. Bei der würde schließlich mit einem Spruch des Skippers wie: »Hoch die Tassen, runter der Zwist« alles bereinigt.Leider kannte mein Freund nichts der-gleichen. Es sei, so meinte er, lediglich üblich, Schäden, die nicht grob fahrlässig oder gar vorsätzlich entstehen, unter der ganzen Mannschaft aufzuteilen. Dieses Maß an Sorglosigkeit sähe er hier nicht verwirklicht, da es auch strikt verboten sei, auf offener See, wonach die Frage klänge, jemanden von Bord zu stoßen.Das Ergebnis, alle sollen zahlen, gefällt mir ehrlich gesagt an dieser Stelle nicht; doch träfe auch ein Rat zur Schadensverteilung nicht den Kern Ihrer Frage: Wie die Freundschaft erhalten? Nachdem Sie offenbar schon ergebnislos darüber gesprochen haben – das offene Wort sollte stets an erster Stelle stehen –, halte ich hier vor allem eines für sinnvoll: Großzügigkeit. Vergessen Sie die Angelegenheit und freuen Sie sich weiter an der Freundschaft. Dabei meine ich »vergessen« wörtlich, also nicht schweigen und Groll behalten. Es sei denn, Sie sehen plötzlich nie gekannten Geiz oder Sturheit bei Ihren Freunden (und wie steht’s damit auf Ihrer Seite?). Dann wäre aber das und nicht das Geld die Gefahr. 160 Euro sind kein Pappenstiel, aber eine echte Freundschaft ist viel zu wertvoll, um ihretwegen Schlagseite zu bekommen.
Die Gewissensfrage
»Es war der erste Tag eines gemeinsamen Segelurlaubs mit Freunden. Die Partnerin eines meiner besten Freunde stieß mich spaßeshalber vom Segelboot, wobei ein Sea Band (zur Vermeidung von Seekrankheit am Handgelenk getragen, Wert: 160 Euro) verloren ging. Trotz Aufforderung wollte mir die junge Dame nicht die Daten ihrer Versicherung mitteilen und hat auch nicht ein Vergleichsangebot, die halben Kosten zu übernehmen, angenommen. Wie soll ich mich nun weiter verhalten, um die Freundschaft nicht zu gefährden?« NOAH L., FRANKFURT