Das Nichtwissen kommt denknotwendig vor dem Wissen, weshalb Ihr Konflikt ein altbekannter sein müsste. Und tatsächlich findet sich in der altägyptischen Lehre des Ptahhotep bereits im Jahre 2350 vor unserer Zeitrechnung etwas dazu, was Ihnen recht gibt: »Was den Törichten angeht, der nicht hören will, / für den wird nichts getan. / Er sieht Weisheit im Nichtwissen, / Nützliches im Schädlichen. / Immer macht er allerlei Verkehrtes, / so dass er täglich deswegen getadelt wird. / Er lebt von dem, wovon man stirbt, / und seine Nahrung ist verdrehte Rede.«Allerdings scheint mir das nur die halbe Wahrheit zu sein. Deshalb gereicht es der Lehre des Ptahhotep als Weisheitstext zur Ehre, dass sie an anderer Stelle auch Ihre Rolle beleuchtet: »Sei nicht eingebildet auf dein Wissen / und verlasse dich nicht darauf, dass du ein Weiser seist, / sondern besprich dich mit dem Unwissenden so gut wie mit dem Weisen. / Es gibt keinen Künstler, der seine Vollkommenheit erworben hat, / denn die Grenzen der Kunst werden nie erreicht.«Oder, etwas drastischer ausgedrückt, in den Worten der Popband Die Ärzte: »Du weißt nicht nur alles, du weißt alles besser / Dein Verstand ist schärfer als ein Schweizer Messer, du bist / Klugscheißerman – und ich bin dein Fan / Mit deinen Geistesblitzen kann man Kathedralen erhellen / Man braucht dir noch nicht mal eine Frage zu stellen, du bist / Klugscheißerman.«Was schließen wir aus dieser Fülle von Zitaten? Natürlich gibt es Fälle, in denen man andere auf Irrtümer oder Wissenslücken aufmerksam machen sollte: Zum Beispiel, falls man weiß, dass die Aufschrift Zyankali auf der im Internet gekauften Tablette nicht die polnische Übersetzung von Viagra ist. Immer dann, wenn anderen Schaden aus ihrem Nichtwissen droht, scheint mir ein Hinweis geboten. Tritt das hingegen in den Hintergrund und es geht mehr ums Korrigieren als solches, sollte man sich an eine alte Regel halten: »Reden ist Silber, Schweigen ist Gold«. Allerdings aus Überzeugung und nicht lediglich aus Imagegründen.
Die Gewissensfrage
»Oft erlebe ich, dass in Gesprächen Meinungen geäußert oder Urteile gefällt werden, von denen ich ganz sicher weiß, dass sie falsch sind. Früher fühlte ich mich verpflichtet, solche Irrtümer richtigzustellen. Inzwischen habe ich gelernt: Die Betroffenen wollen sich vielfach gar nicht berichtigen lassen. Tut man es dennoch, gerät man leicht in Gefahr, für einen ›notorischen Besserwisser‹ gehalten zu werden. Soll man in solchen Fällen also besser schweigen?« JAKOB D., Köln