Geht es hier um Olympiaboykott? In gewissem Sinne ja, denn das Phänomen Olympische Spiele hat zwei Seiten: das Treffen der »Jugend der Welt«, genauer der Spitzensportler, und das mediale Großereignis. Der klassische Olympiaboykott betrifft die Athleten. Die entschieden sich dagegen, auch mit der Begründung, dass der Sport sich von der Politik nicht vereinnahmen lassen dürfe. Ein lauterer Ansatz, der aber nur trägt, solange das noch nicht eingetreten ist – worüber man streiten könnte –, und der spätestens seit den Erfahrungen von 1936 bestenfalls naiv wirkt.
Denn daneben steht das mediale Großereignis, das wirtschaftlich wie politisch, je nach Sichtweise, genutzt oder missbraucht wird. So richten sich die Austragungszeiten einiger wichtiger Wettkämpfe nicht nach den besten Bedingungen vor Ort, sondern nach den teuersten TV-Werbezeiten in den USA. Und Chinas Regierung setzt die weltweite Aufmerksamkeit für ihre politischen Ziele ein; man denke nur an den Fackellauf durch Tibet oder die mit ungeheurem Aufwand betriebene Selbstdarstellung »vor den Augen der Welt«. Dazu gehört neben der mitunter brachialen Unterdrückung jeglicher Regimekritik auch die Inszenierung in architektonisch bemerkenswerten, aber eben teilweise mit Menschenleben teuer erkauften Sportstätten.
Das IOC hat sich in vollem Bewusstsein dieser Umstände für die Vergabe nach Peking entschieden. Damit hat es die Spiele auch diesen Zwecken zur medialen Verfügung gestellt. Und zu denen trägt jeder einzelne Zuseher seinen Teil bei, denn die mediale Verwertung funktioniert nur durch die Summe der Nutzer – die so zudem Einfluss auf künftige Entscheidungen haben. Insofern macht man als Zuseher mit und holt sich tatsächlich blutige Finger an der Fernbedienung.
Illustration: Jens Bonnke