Da Sie diese Zeilen lesen und das Heft in Händen halten, hat offenbar kein dem FC Bayern nahestehender Drucker und Austräger aus Gewissensgründen die Arbeit verweigert. Was ich nicht weiß, ist, ob die Kolumne in letzter Minute von einem Redakteur und Fan des Vereins umgeschrieben wurde oder sich ob aufgebrachte Bayern-Anhänger inzwischen aufmachen, um vor meinem Haus zu demonstrieren, gar zu randalieren. Verzeihen Sie mir bitte meine apokalyptischen Visionen. Worauf ich hinauswill: Wenn es um Fußball geht, muss man mit vielem rechnen. Die Begeisterung für einen bestimmten Club sitzt manchmal ähnlich tief wie die für die eigene Religion, übertrifft oft die für die Nation, und selbst die größte Liebe zu einem anderen Menschen scheint, gemessen daran – man denke nur an die Scheidungsquoten –, vergänglich wie Schaum auf dem Meer.
Deshalb weiß ich nicht, was die Fans dieser Mannschaft – es gibt sie gerüchteweise bis in die höchsten Positionen dieses Magazins – dagegen unternehmen, wenn ich Schadenfreude über eine Niederlage von Bayern München nicht als Todsünde brandmarke, sondern Ihnen zugestehe, sie relativ ruhigen Gewissens zu empfinden. Keinesfalls weil ich etwas gegen diesen Münchner Verein hätte oder, wie so mancher auch in der Redaktion, irgendeiner anderen Sportgruppe anhinge. Sondern weil meiner Beobachtung nach dieses dem Grunde nach unschöne Gefühl mit zum Spiel zu gehören scheint. Nicht zur Ertüchtigung der Akteure auf dem Rasen, aber zu dem ganzen Drumherum mit Meisterschaft, Liga, Tabelle, Farben, Maskottchen usw. Im normalen Leben würde ich Freude über den Schaden anderer wirklich verurteilen, und auch hier begrüße ich sie nicht. Aber wer im Einvernehmen mit allen Beteiligten Begeisterung empfindet für eine Gruppe von Menschen, der er in der Realität ähnlich nahe steht wie dem englischen Königshaus, dem kann man kaum verwehren, sich über die Niederlage einer anderen Dynastie zu amüsieren. Es ist nun mal ein Spiel.
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Illustration: Marc Herold