Echte Verantwortung für die Ehe können Sie kaum tragen, das überfordert ja häufig schon die Partner, von einem Außenstehenden ganz zu schweigen. Völlig unbeteiligt sind Sie aber auch nicht: Wie Sie schreiben, haben Sie die Aufgabe des Trauzeugen erst nach reiflichen Überlegungen übernommen. Die hätten Sie nicht anzustellen brauchen, wenn es lediglich um die im Gesetz vorgesehene Funktion ginge: zu bezeugen, dass die beiden »Ja« gesagt haben. Ganz unabhängig davon, was das Eherecht festlegt, waren die Beteiligten hier offenbar der Meinung, dass den Trauzeugen eine besondere Stellung zukommen soll, und es ist diese Übereinkunft, die verpflichtet.
Wem gegenüber? Der Ehe oder den Menschen? Die Ehe ist auf Dauer angelegt, Menschen dagegen können ihre Einstellung wandeln, Lebenssituationen ändern sich, Gefühle verblassen oder entstehen woanders neu. Das mag man bedauern, wird es aber, einmal eingetreten, kaum ändern können. Ich bin der Meinung, dass man in erster Linie Menschen verbunden und verpflichtet ist und nicht Institutionen, wie immer man sie auch nennen mag. Entsprechend lautet die für mich entscheidende Überlegung: Wie hilft man den Freunden am besten? Solange die Ehe noch zu retten ist, indem man die Rettungsbemühungen unterstützt. Auch, weil man als Trauzeuge eine Rolle übernommen hat, vor allem aber, weil es um die Menschen geht, die Ihren Namen mit auf ihrem Trauschein haben wollten. Ist die Gemeinsamkeit hingegen unrettbar verloren, besteht Beistand umgekehrt gerade darin, den beiden bei dem schwierigen Prozess der Trennung zu helfen – nachdem Sie Anwalt sind, eben in dieser Funktion. Alles andere wäre fast schon eine Bevormundung und opfert Menschen einem Prinzip. Außerdem: Kann es wirklich sein, dass der Trauzeuge länger an eine Ehe gebunden ist als die Eheleute selbst?
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Illustration: Marc Herold