Die Gewissensfrage

»Ein Freund will umziehen und hat eine Wohnung im Auge. Nun überlegt er, der bisherigen Mieterin, die dem Vermieter einen Nachmieter vorschlagen soll, 100 Euro mehr Abschlag für die Waschmaschine anzubieten, um seine Chancen zu erhöhen. Seine Freundin meint, das sei ungerecht – es würde ärmere Menschen benachteiligen. Wie sehen Sie das?«Margarete S., München

Märkte stehen ja derzeit nicht in bestem Rufe. Dennoch kommt man nicht umhin festzustellen, dass es sich auch beim Wohnungsmarkt um einen Markt handelt, in dem Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen. Für eine helle Wohnung in ruhiger Lage, die viele Leute haben wollen, zahlt man mehr als für eine dunkle an der Autobahn. Und wenn das Herz an etwas hängt, sei es nun an einem Sammlerstück oder an einer bestimmten Wohnung, ist man bereit, mehr zu bezahlen als ein anderer, dem die Sache nicht so viel wert ist. Manche können sich auch weniger leisten, weil sie weniger Geld haben. Das ist die Schattenseite dieses Prinzips. Aus diesem Grund muss die Gesellschaft für einen Ausgleich sorgen, und es müssen Grenzen gesetzt werden, etwa das Verbot des Mietwuchers. Solange diese aber nicht überschritten werden, ließe sich dem nur eine Fundamentalkritik der Marktwirtschaft entgegensetzen. Der kann ich mich jedoch trotz manch unschöner Auswüchse und gewisser Bedenken nicht anschließen.

In Ihrem Fall scheint auf den ersten Blick eine ausgeglichene Situation vorzuliegen: Der eine bietet weniger, der andere mehr, beides hält sich im Rahmen. Und dennoch stört mich etwas: Das, wofür er mehr bietet, ist gar nicht das, was der Bieter unbedingt haben möchte. Er will die Wohnung – und bietet für die alte Waschmaschine. Das allerdings nur, weil der Eigentümer der Waschmaschine zugleich den Nachmieter benennen darf. Dafür, nicht für die Waschmaschine, soll das Geld fließen. Und eine derartige Verdeckung des eigentlichen Zieles trägt einen Hautgout, den Geruch der Bestechung. Der Ehrlichkeit halber müsste Ihr Freund eigentlich klar und deutlich sagen, dass er der Vormieterin 100 Euro für die Benennung als Nachmieter auf den Tisch legen will. Wenn die Beteiligten das nicht wollen, weil es nicht so schön klingt, so spricht das weniger gegen das Offenlegen als gegen das Vorgehen. Haben Sie auch eine Gewissensfrage? Dann schreiben Sie an Dr. Dr. Rainer Erlinger, SZ-Magazin, Hultschiner Str. 8, 81677 München oder an gewissensfrage@sz-magazin.de.