Lassen wir einmal beiseite, was zwischen Ihnen und Ihrer Frau abläuft: also warum Sie für das gemeinsame Kondolieren eine Karte mit Kreuz kaufen, obwohl Sie genau wissen, dass Ihre Frau das nicht will. Das wäre eine eigene Gewissensfrage wert oder einen Termin bei der Eheberatung. Hier soll es aber um das Verhältnis zwischen Absender und Empfänger gehen. Ausgangspunkt ist die Funktion einer Trauerkarte: den Hinterbliebenen Beileid zu bezeugen, zu zeigen, dass man den Tod der Verstorbenen bedauert, den Schmerz zu einem gewissen Grad teilt, wodurch man Trost spenden will. Der Sinn liegt also weniger in der Bearbeitung eigener Trauer, sondern mehr in der Zuwendung an die Hinterbliebenen. Das spräche dafür, die Karte so auszuwählen, dass sie sich möglichst an den Vorstellungen des Empfängers orientiert, in diesem Fall also ein Kreuz trägt.
Doch scheint mir das zu kurz zu greifen, wenn man sich nur den typischen Text einer solchen Karte vergegenwärtigt: »Aufrichtige Anteilnahme« oder »Herzliches Beileid«. Sowohl »Anteilnahme« als auch »Beileid« drücken eine eigene Beteiligung an dem Leid des Hinterbliebenen aus. Das aber kann meines Erachtens aufrichtig nur in einer Form erfolgen, die eine eigene Beteiligung auch zulässt und glaubwürdig ausdrückt. Für Ihre Frau – wenn sie christliche Symbole ablehnt – wäre das wohl bei einem Kreuz nicht der Fall.
Natürlich kann man argumentieren, dass es eine besonders nette Geste darstellt, gegen die eigene Überzeugung auf die Vorstellungen des Empfängers einzugehen. Aber so richtig kann ich das weder mit der Idee der Aufrichtigkeit verbinden, noch damit, dass das Beileid von Herzen kommen soll. Zumal ja eine neutrale Karte ohne Kreuzsymbol die Anteilnahme ganz genauso ausdrücken kann, hier also gar kein echter Grund für einen Konflikt vorliegt. Womit wir doch wieder beim Verhältnis zu Ihrer Frau wären – da gilt nämlich dasselbe.
Illustration: Marc Herold