Ferien in Futschikato

Ein Freund wollte einen gemeinsamen Urlaub buchen – und fiel auf Betrüger herein. Muss ich mir den finanziellen Schaden mit ihm teilen?

»Ein Bekannter hat für eine Reise mit Freunden eine Wohnung über ein Onlineportal gebucht. Als er eine E-Mail mit Kontodaten und Zahlungsaufforderung erhielt, überwies er 1000 Euro – direkt an den Anbieter, statt an das Portal. Es stellte sich heraus, dass er einem Betrüger aufgesessen war: Die Wohnung existierte nicht, das Geld war weg. Sollten sich nun alle den Schaden teilen?« Johanna F., Landshut

»Wer schläft, sündigt nicht«, lautet ein Sprichwort, und das passt hier. Nicht, weil es um Schlafgelegenheiten geht. Sondern weil Ihr Bekannter quasi geschlafen und dabei einen Fehler gemacht hat. Sogar einen größeren. Ich weiß nicht, ob man schon von einer Internet-Kardinalsünde oder gar -Todsünde sprechen könnte, wenn jemand ungesichert Geld überweist, aber eine lässliche Sünde ist es eher nicht.

Diese vielleicht etwas komisch wirkenden Überlegungen haben durchaus Auswirkungen auf die Beantwortung Ihrer Frage. Denn wer für einen Schaden aufzukommen hat, hängt, speziell wenn mehrere beteiligt sind, auch davon ab, wie groß die Fahrlässigkeit – um nun endlich die Sündenmetaphorik zu verlassen – war, die zu dem Schaden geführt hat. Und die war hier tatsächlich nicht unbeachtlich. Ihr Bekannter hat elementare Vorsichtsmaßnahmen bei Buchungen im Internet außer Acht gelassen, und das spräche dafür, dass er für den Schaden auch geradestehen muss.

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Allerdings habe ich das Sprichwort »Wer schläft, sündigt nicht« nicht aus Lust am Wortspiel hier eingeführt, sondern um etwas Entscheidendes zu zeigen: Einen Fehler können nur die begehen, die etwas machen, nicht aber die, die nichts tun, also schlafen, die anderen machen lassen und selbst von den Ergebnissen profitieren.

Wer in einer Gruppe eine Aufgabe einem Einzelnen überträgt, sollte auch mit dafür einstehen, wenn derjenige einen Fehler macht. Ein besonders grober Fehler mag zu Abweichungen von diesem Grundsatz führen, diese Überlegung wird hier aber spätestens dadurch gestoppt, dass es sich um Freunde handelt. Freunde sollten nicht anfangen, wechselseitig Fehler zu bewerten, sondern zusammenhelfen, wenn etwas schiefgelaufen ist, sich hier also den Schaden teilen.

Literatur:

Das Sprichwort »Wer schläft sündigt nicht«, stammt nicht, wie oft angenommen, aus der Bibel. Im Grunde findet man dort sogar eine gegenteilige Aussage:

»Wer das Gute tun kann und es nicht tut, der sündigt.« (Jakobus 4,17)

Es stammt vielmehr aus dem Lateinischen: qui dormit, non peccat

Allerdings stammt es aus einem interessanten Zusammenhang, aus dem es als Sprichwort gerissen wurde. Es dient in den lateinischen Quellen nämlich lediglich als Beispiel für einen (falschen) Syllogismus in der Rhetorik.

Meist wird er folgendermaßen zitiert:

»Qui bibit, dormit; qui dormit, non peccat; qui non peccat, sanctus est. ergo: qui bibit sanctus est.«

»Wer trinkt, versinkt in Schlaf; wer schläft, sündigt nicht; wer nicht sündigt, ist heilig; also: wer trinkt, ist heilig.«

In Originalquellen lautet der Zusammenhang leicht unterschiedlich so:

»Qui bene bibit, bene dormit, qui bene dormit, non peccat, qui non peccat, venit ad coelum, ergo qui bene bibit, venit ad coelum«

»Wer trinkt, schläft gut; wer gut schläft, sündigt nicht; wer nicht sündigt, kommt in den Himmel; also: wer trinkt, kommt in den Himmel.«

(Cypriani Soarii E Soc. Jesu Artis Rhetoricae: Tabulas Redacti,Item: Rhetoricae ejusdem Explicatio, seu Notae uberrimae ad singula prope Capita. Orationes Ciceronis majores, ac Virgilii, Horatii, Juvenalis &c. Selecta, quae in Gymnasiis Soc. Jesu praelegi solent In Schola Rhetoricae. Libri III.typis Academicis, Prag 1763S. 163 Ad Caput XXIII; online abrufbar)

Oder:

»Qui bene bibit, benè dormit, qui benè dormit, non peccat, qui non peccat, erit beatus, ergo qui benè bibit, erit beatus«

»Wer trinkt, schläft gut; wer gut schläft, sündigt nicht; wer nicht sündigt, wird heilig also: wer trinkt, wird heilig.«

Bartholdi Nihusii, Tractatus de Sophisticis Elenchis, Henrici Davidis Mulleri (Heinrich David Müller), Helmstedt 1676

Caput XLI

online abrufbar

Illustration: Serge Bloch