»Ich plane für das Wochenende eine Motorradfahrt mit einer Freundin als Sozia hintendrauf. Sie besitzt keine Schutzkleidung, die ich aber als essenziell empfinde. Ich könnte es nicht mit mir vereinbaren, selbst mit Schutzkleidung zu fahren – und ihr passiert etwas, falls es einen Unfall gibt. Soll ich ihr meine Kleidung geben, da ich Fahrer bin und die Verantwortung trage?«
Paul K., München
Wenn Sie jemanden auf dem Motorrad mitnehmen, setzen Sie diese Person einem erhöhten Risiko aus. Dieses Risiko wird gemindert durch entsprechende Kleidung. Auch wenn die – im Gegensatz zum Helm – nicht vorgeschrieben ist, Sie ohne sie also nichts Verbotenes tun, wird jeder Motorradkundige bestätigen, dass man sie tragen soll.
Nun könnte Ihre Freundin sagen, dass sie sich des Risikos voll bewusst ist und sich ihm auf eigene Verantwortung aussetzt. Dennoch tragen Sie als Fahrer und Besitzer des Motorrads weiter Verantwortung für einen Mitfahrer. Als Fahrer sind Sie derjenige, der die Herrschaft über das Motorrad und damit die gefährliche Situation insgesamt hat. Da Sie die Schutzkleidung als essenziell empfinden, könnte die Entscheidung Ihrer Freundin, mit einem geringeren Schutz zu fahren, Sie nicht vollständig entlasten. Sie können die Verantwortung für Ihr eigenes Handeln, hier, sie so mitzunehmen, nicht komplett abgeben. Insofern wäre es besser, Ihrer Freundin die Schutzkleidung zu geben.
Mit zwei Problemen: Das erste ist, dass Sie dann selbst ungeschützt fahren. Zwar können Sie sich eigenverantwortlich einem höheren Risiko aussetzen, das ist jedoch unklug, mindestens inkonsequent und fast schon widersinnig. Das größere Problem aber ist, dass Sie damit die Verantwortung für Ihre Sicherheit zumindest teilweise an Ihre Freundin abgeben, die ja, wenn sie akzeptiert, Ihre Schutzkleidung zu tragen, zugleich akzeptiert, Sie damit diesem erhöhten Risiko auszusetzen, was Sie spiegelbildlich ihr nicht vollständig abnehmen können. Durch Hin- und Herschieben von Schutzkleidung und Verantwortung können Sie das Problem, dass Sie zu wenig Schutz für zwei Personen haben, also nicht lösen. So sollten Sie gar nicht fahren.
Literatur:
Weiterführend zum Thema Verantwortung:
Micha H. Werner, Verantwortung, in: Marcus Düwell / Christoph Hübenthal / Micha H. Werner (Hrsg.), Handbuch Ethik, Verlag J.B. Metzger Stuttgart 2002
H. Lenk / M. Maring, Verantwortung, in: in: Joachim Ritter, Karlfried Gründer und Gottfried Gabriel (Hrsg.), Historisches Wörterbuch der Philosophie, Band 11, Verlag Schwabe, Basel, 2001, Spalte 566 – 576.
Otfried Höffe, Verantwortung, in: Otfried Höffe (Hrsg.), Lexikon der Ethik, C.H. Beck Verlag München, 7. Auflage 2008
Kurt Bayertz, Verantwortung: Prinzip oder Problem? Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1995