Weiße Wände, Waschbecken, ein Stuhl, ein großer Tisch voller Honiggläser, noch ohne Etikett – es duftet nach Lindenhonig in Christoph Scheuereckers Münchner Atelier. Der Künstler ist gleichzeitig auch Imker: Die Welt der Bienen inspiriert seine Kunst, umgekehrt bestimmt die Haltung des Künstlers seinen Umgang mit den Bienen. Er arbeitet in seinem Atelier an Zeichnungen zur Bienenanatomie, verfremdeten Fotografien von Pollen oder an Skulpturen aus Bienenwachs. Die Installation allerdings, die ihm am meisten bedeutet, sind seine sechs Bienenstöcke im städtischen Rosengarten an der Isar. In den frühen Neunzigerjahren standen sie im Garten der Münchner Kunstakademie. Manche Professoren spotteten »Da beuyselts!«, denn auch Beuys beschäftigte sich schon früh mit dem Bienenstaat, in Werken wie Bienenkönigin I–III oder seiner berühmten Honigpumpe. Das Imkern selbst hat Beuys nie interessiert, Scheuerecker sah schon als Kunststudent in der Biene mehr als ein Symbol: »Wale sehen die meisten von uns nur auf Bildern oder im Fernsehen, Bienen begegnen uns wirklich. Wir essen ihren Honig«, erklärt der Imker, oder spricht gerade eher der Künstler?
Wenn die bedrohte Honigbiene überlebt, dann vermutlich in der Stadt: Ähnlich wie Stadtmäuse finden auch Stadtbienen ein viel größeres Nahrungsangebot als ihre Artgenossen auf dem Land: Mit der Ahornblüte beginnt das städtische Bienenjahr, es folgen Kastanie, Flieder, Robinie und Klee, Anfang August schließlich Linde und Sonnenblume. Dazwischen wird dreimal Honig geschleudert. Schwabinger Honig schmeckt nach den Bäumen aus dem Englischen Garten, Honig aus dem Nymphenburger Park oder aus dem Rosengarten eher nach Klee, Flieder oder Sommerblüten.
Auf dem Land ist es eintöniger: Wo im Frühjahr der Raps blüht, hungern die Bienen im Sommer, und sowieso wird überall zunehmend Mais für »Bio«-Sprit angebaut, den die Bauern mit Gift einnebeln. Selbst als bienenungefährlich eingestufte Pflanzenschutzmittel schwächen die Insekten. Wie stark, ist unklar. Schmutz aus Autoabgasen dagegen filtern Pflanzen aus dem Wasser heraus. Heutzutage ist es deshalb meist leichter, in der Stadt sauberen Honig zu imkern als auf dem Land. Ein Indiz für die gesünderen Lebensbedingungen der Stadtbienen ist auch die Honigausbeute: Im Rosengarten zum Beispiel gewinnt Christoph Scheuerecker von jedem Volk etwa 45 Kilo Honig pro Jahr, mehr als doppelt so viel wie die meisten Imkerkollegen auf dem Land.
Manchmal verwendet der Künstler seine Honiggläser als Teil einer Ausstellung. Zu kaufen sind sie in kleinen Feinkostläden und auch Buchhandlungen, zu Preisen, die nicht höher sind als bei anderem Honig. Das gefällt Scheuerecker. Er will, dass wir seinen Honig schmecken: »Menschen, die ich nicht kenne, essen den Honig meiner Bienen. Das ist ein gutes Gefühl.«
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Fotos: Julian Baumann, Hinrik Schmoock