Stefan Fak: früher Leiter eines Tourismusverbandes, heute Reisimporteur

Tourismus um des Reisen willen interessiert Stefan Fak nicht mehr. Er reist jetzt um des Reises willen.

Stefan Faks zweite Karriere begann mit einer Kontaktanzeige: »Suche Vietnamesen, der mit mir Reis einkauft und kocht.« Er pinnte den Zettel ans schwarze Brett des Berliner Dong Xuan Centers, eines Großmarkts für asiatische Lebensmittel. Das war 2009, kurz zuvor hatte der Österreicher Stefan Fak seinen Job als Leiter des österreichischen Tourismusverbands in Deutschland gekündigt: »Zu oft haben wir unsere Energie verpulvert für Dinge, die am Ziel vorbeigingen.« Er fuhr nach Asien mit dem vagen Wunsch, dort Sozialprojekte zu beraten, »irgendetwas mit Elefanten, Kindern, Künstlern«. In Vietnam faszinierte ihn, was die Bauern im Mekongdelta alles aus Reis machen. Selbst der Schlamm aus dem Reisfeld wird nach der Ernte zu Ziegeln gebrannt.

Neuer Plan also: Ein Shop für alle möglichen Reisprodukte und Reis am Flughafen von Ho-Chi-Minh-Stadt soll es werden. Zurück in Berlin will er sich informieren, sucht außergewöhnlichen vietnamesischen Reis in den örtlichen Asienläden, findet nur die immer gleichen Säcke mit mittelmäßigem Reis. Fak pinnt die Kontaktanzeige, kauft Reis, kocht Reis und lernt im Handumdrehen sehr viele selbst ernannte Reisexperten kennen. Schnell sieht er zwei Dinge: Erstens kommen die besten Reissorten aus verschiedenen Ländern, und zweitens kennen asiatische Köche und Händler immer nur den Reis des eigenen Landes. Der Jungunternehmer fasst einen dritten Plan: Er beschließt, die besten Reissorten der Welt zu suchen und nach Deutschland zu importieren. Dabei helfen ihm seine neuen Kontakte, dazu Skype und Webdienste wie yourmaninindia.com. Über diese Website findet er Haresh, der wiederum kennt Emily (in Faks jetzt virtueller Welt haben die Menschen nur einen Vornamen). Emily lebt zwar nicht in Indien, sondern in Indonesien, dort aber hat sie eine Reisbauernkooperative mit aufgebaut. Sie bietet eine sehr gute Reismischung an aus einer braunen, einer roten und einer pinkfarbenen Sorte. Alles ist biozertifiziert und dokumentiert, die Bauern bekommen ordentliches Geld für ihre Arbeit, Stefan hat seine erste Reissorte für sein Importgeschäft gefunden.

Zu blöd, dass Reis aus Indonesien nicht ausgeführt werden darf. Stefan Fak hat dennoch Glück, denn Emilys Bioreis ist erstens zu teuer für den Inlandsmarkt und zweitens ungeschält. Damit ist er in Indonesien ungefähr so beliebt, wie es im Deutschland der Siebzigerjahre die ersten Vollkornnudeln waren. Emily erwirkt eine Gesetzesänderung, Fak ist glücklich: »Immer noch mein Lieblingsreis, der Duft beamt mich jedes Mal direkt ins Reisfeld nach Indonesien.« Die zweite Sorte entdeckt Anna, eine Schweizer Studentin, die lange in Indien war. Sie berichtet von einer persischen Familie, die irgendwo in Nordwestindien Reis räuchert, nach einer fast erloschenen persischen Tradition. Fak bestellt Proben. Aus Freiburg meldet sich Cui Cui. Sie kennt grünen Reis aus China, dort wird er mit einem Bambusextrakt gewürzt und gefärbt. Cui Cui dolmetscht erste Skype-Konferenzen mit Produzenten. Einer verweist an eine Reisexpertin der University of Hawaii, die auf Englisch erklären soll, wie der Reis grün wird, ohne die Geschäftsgeheimnisse des Chinesen zu verraten. Dank Skype weiß Fak, dass es bei der Professorin aussieht wie bei Harry Potter in Minerva McGonagalls Studierstube auf Hogwarts. Sie rät ihm, den chinesischen Reis selber mit Tee aus Bambusblättern zu verfeinern, in ihren Reisproben aus China findet sie nämlich immer wieder Terpentinersatz – wohl als Lösungsmittel für grüne Farbe. Es kostet Zeit, aber schließlich spürt der Reisfahnder einen deutschen Hersteller auf, der sich auf Biotee aus Bambusblättern spezialisiert hat – zufällig sitzt auch er in Berlin. Zusammen entwickeln die beiden eine Methode, mit der sie die dritte, die chinesische, Reissorte verfeinern. Nach einigen Monaten stapeln sich Reisproben aus aller Welt in Faks Wohnung, 15 Sorten wählt er aus und fährt damit nach München. Zu Feinkost Käfer. Gemeinsam wird probiert, und Käfer ist begeistert. Leider weniger vom besonders duftigen Jasminreis. Den könnte der »Risolier«, so nennt Fak seinen neuen Beruf, einfach in Asien bestellen und nach München liefern. Der Feinkosthändler verlangt aber nach den schwierigen Sorten, dem grünen, dem bunten, dem geräucherten Reis. Sorten, die nur pfundweise, teilweise in gebrauchten Spielzeugkartons, nach Berlin gekommen waren. Jetzt wird es richtig kompliziert: Fak braucht Verträge mit den künftigen Lieferanten, muss sich in Import-, Export- und Zollbestimmungen einarbeiten. Alles soll fair bezahlt und biozertifiziert sein. Der enorme Aufwand bedingt einen Verkaufspreis, der weit über dem liegt, was der deutsche Konsument für Reis zu bezahlen gewöhnt ist. Eine Marketingstrategie muss her – Fak ist in seinem Element, für die Gestaltung von Verpackung, Website und Corporate Identity seiner Firma Lotao nimmt sich der gelernte Werbeberater selbst eine Design-Beraterin, für die Begleitung des Gesamtprojekts einen weiteren Berater. Köche wie Stefan Maron aus dem Berliner Restaurant »Remake« entwickeln Rezepte, die besonders gut zu Faks Reissorten passen.

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Kaum zwei Jahre nach seiner Anzeige im Don Xuan Center in Berlin stehen die ersten Hochglanzschachteln mit dem edlen Reis in den wichtigsten Feinkostläden der Republik. Und Stefan Fak hat einen Flug nach Indonesien gebucht, um seine Reisbauern endlich auch in der realen Welt kennenzulernen.

Fotos: Felix Brüggemann/Brigitta Horvat