Auch Mädchen träumen davon, mindestens einmal im Leben in die Wildnis zu gehen und zu erfahren, wie sich Unabhängigkeit anfühlt – das tun nicht nur Jungs. Ich ging vor neun Jahren am Yukon-Fluss an der kanadischen Grenze zu Alaska mit einer Hundeschlittenfahrerin in die Wälder. Wir hatten nur Schlafsack, Rucksack und eine abgesägte Schrotflinte wegen der Grizzlys dabei. Es war Sommer, die Mücken zerstachen uns, aber wir durften nicht im Zelt schlafen, denn dann hätten wir die Bären nicht rechtzeitig entdecken können. Zehn Tage Wildnis reichten mir, um festzustellen, dass das Leben in der Natur nur wenig idyllisch, vor allem aber hart und arm ist, immer nur Lachs zu essen wird schließlich auch irgendwann einmal langweilig. Im Norden Kanadas fällt es nicht leicht, sich abwechslungsreich und gesund zu ernähren, es sei denn, man konzentriert sich auf Fisch und Wildtiere. Ich gehe immer wieder gern zum Wandern in die Natur, einmal bin ich zwei Wochen lang über die Alpen gelaufen. In der Wildnis etwas zu essen zu finden und Feuer zu machen, das habe ich also gelernt.
Deutschland ist nicht Kanada, unser Wald gibt nicht viel her, zumal es in Deutschland ja kaum noch richtige Mischwälder gibt, nur noch Forste. Im Herbst findet man Beeren und Pilze, im Frühling muss man sich mit Wildkräutern bescheiden. Sie wachsen vor allem an Wald- und Wiesenrändern. Man muss aufpassen, dass die Wiese nicht gespritzt ist.
Ich mache gern Omelettes, Suppen, Salate oder Teigstrudel mit Wildkräutern. Die sollten, wie alles andere, im Korb gesammelt werden, in einer Plastiktüte können sie nicht atmen, werden schnell matschig und faulen.
Sicherlich siebzig Prozent aller Wildkräuter kann man essen: Vogelmiere gilt als Unkraut, dabei schmeckt sie so gut nach Maiskolben; Knoblauchsrauke ist der perfekte Knoblauch-Ersatz; Schafgarbe muss man fein als Gewürz dosieren, Taubnessel und Leimkraut gemischt mit jungen Spitzwegerichknospen eignen sich zur Füllung jedes Bratens. Spitzwegerich wächst übrigens nur da, wo der Boden ungedüngt ist.
Wildkräuter tun gut, sie geben viel Energie, einige sind richtiggehend gesund: Brennesseln zum Beispiel werden immer noch unterschätzt, sie besitzen viel Vitamin C. Sie schmecken einfach wunderbar. Einige Kräuter machen regelrecht süchtig, sobald man sich an ihren Geschmack gewöhnt hat: etwas bitter, aber Leber und Galle brauchen Bitterstoffe. Rotkleeknospen allerdings schmecken sehr süß.
Ich würde nie ein Wildkraut verkochen, das ich nicht selbst schon einmal probiert habe, denn einige wenige sind sogar giftig. Der Riesenbärenklau etwa. Dagegen sind die ganz ähnlichen Blätter des kleineren Wiesenbärenklaus gut zum Einwickeln von Reis und Hackfleisch. Mit wenigem kreativ zu sein macht mir mehr Spaß als im Überfluss herumzuspielen.
Und so funktioniert mein schneller Waldwildkräuterstrudel: Graben Sie eine kleine Mulde für das Brennholz. Birkenrinde eignet sich gut zum Anzünden und erübrigt jeden chemischen Anzünder. Emaille ist ein guter Wärmeleiter; Emailleschüsseln kann man zur Not auch direkt ins Feuer stellen und sie lassen sich anschließend gut reinigen. Schneiden Sie die groben Stiele ab, blanchieren Sie die Wildkräuter kurz mit heißem Wasser, das schwächt die Bitterstoffe ab. Leicht salzen, pfeffern, eventuell mit etwas mitgebrachter Butter in die mitgebrachten Teigblätter (selbst gemacht oder fertig gekauft) einrollen, auf Backpapier legen, damit sie nicht anbrennen, und den Strudel mit einer zweiten Emailleschüssel abdecken. Funktioniert wie ein kleiner Backofen mitten in der Wildnis.
Das Holz sollte aber nur noch glühen. Sonst kann der Strudel schnell zu dunkel werden. Perfekt wird der »Ofen«, wenn man die Form mit heißem Sand umgibt. Dann kann man sogar
Kuchen backen …
Fotos: Julian Baumann