Integration

Thilo Sarrazins Aussagen über Migranten offenbart, wie undemokratisch das deutsche Verständnis von Integration ist. Ein Plädoyer für bedingungslose Anerkennung des "Fremden".

Den Schriftsteller Feridun Zaimoglu kann man, wenn man solche Adjektive mag, als überassimiliert bezeichnen. Er hat seine Karriere als wütender Türke begonnen, hat sich fürs Stadttheater durch den Bildungskanon gewühlt und gerade einen Roman veröffentlicht, der von Gartenzwergen handelt. Er erzählt von Märchen und Morgenland und lehnt die Moderne in guter deutscher Romantiktradition ab. Ist es das, was die Integrationsbeauftragten suchen?

Integration ist ein hässliches Wort. Es klingt wie einfügen, aufgeben, abschwören, es klingt wie: Wir sind mehr als du, also hör endlich auf, du zu sein. Thilo Sarrazin hat gerade gezeigt, was die Mehrheit der Deutschen unter Integration versteht: einen kulturellen Crashkurs, mit einem One-Way-Ticket zur Selbstaufgabe. Ein Wort jedoch hat Sarrazin verwendet, das zum Kern des Ganzen führt: Er sprach von Anerkennung, die er Menschen, die dauernd kleine »Kopftuchmädchen« produzieren, allerdings gern verweigern will. Damit benennt er das zentrale Missverständnis der aktuellen Diskussion. Es geht beim Thema Integration, so merkwürdig das klingt, weniger um die Frage, wie man mit Ausländern umgeht als vielmehr darum, wie man die Demokratie versteht. Und da ist es nun mal so, dass die Anerkennung anderer als Menschen die Grundlage für all das ist, was mit dem Begriff Demokratie gemeint ist. Diese Anerkennung wird nicht in manchen Fällen gewährt, in anderen nicht. Sie hat bedingungslos zu sein, sonst wäre sie ein feudaler Gnadenakt.

Die Diskussion um islamische Feiertage, den Bau von Moscheen und libanesische Clans, in denen kaum einer Deutsch spricht, überdeckt diesen Punkt: Es geht nicht um die Ausländer, es geht um uns. Leider ist nun das Beste, was die Deutschen den Ausländern anbieten wollen, dieses bürokratische Wortbiest »Integration« – oder eben die romantische Variante, die »Zuwanderung«, ein Wort, das tückisch idyllisch tönt, aber die Loslösung von den Wurzeln zur Bedingung macht. Verwalten und verdeutschen, das sind die beiden Pole, zwischen denen bei uns das Denken über eine Gesellschaft stattfindet, die nicht multikulturell sein sollte, sondern einfach offen.

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Wenn Schwarz-Gelb mehr sein will als CDU minus Alfred Dregger und Norbert Blüm und FDP minus Hans-Dietrich Genscher und Gerhart Baum, wenn die neue Regierung kein Wiedererweckungsprojekt von Achtzigerjahre-Frontstellungen betreiben will, sondern tatsächlich, wie zu hoffen wäre, ein neues Land zu denken wagt – dann sollte sie das tun, ohne ein eigenes Integrationsministerium zu schaffen, wie jetzt gefordert wird. Wirklich offen ist diese Gesellschaft erst, wenn es kein Wort mehr für das gibt, was Menschen tun müssen, um dazuzugehören.

Foto: dpa