Wie jeder normale Mensch bestellte ich mein erstes alkoholfreies Bier, als ich schwanger war. Es sah so aus wie ein richtiges. Gleiches Glas, gleiche Schaumkrone, gleiche Kühle.
Dennoch: Es schmeckte nach Verzicht. Es war der erste Abend, an dem ich früher nach Hause ging als alle anderen. An dem ich nicht beseelt besoffen auf dem Rad raste, sondern langsam und vorsichtig fuhr, trotzdem keuchte und mir abends im Bett einsickerte, dass ich auch deshalb so früh gegangen war, weil ich plötzlich allein dastand. Ich war diese Person gewesen, mit der alle zu Beginn kurz reden wollten, damit sie es erledigt hatten. Später, als es witzig wurde, wollten sie nicht mehr. Weil ich eben nicht mehr witzig war, ich war ja schwanger. Ich verstand das sogar.
Ich befand mich außerhalb jeder partyrelevanten Skala. Man wollte nicht mit mir flirten. Denn auch wenn der Flirt nur ein Tanz um eine Option ist: Eine schwangere Frau ist die leibhaftige Anti-Option. Und sie ist dick. Beruflich war ich auch nicht interessant, ich würde ja bald ohne Relevanz sein. Und sozial abgemeldet: Niemand braucht eine neue Freundin, die bald ungewaschen, müde und kaum aufnahmefähig ist. In meiner Zeitrechnung ging ich von einem Jahr aus. Aber die Umwelt signalisierte mir, dass ein Kind ALLES FÜR IMMER ändern würde. Als sei noch nicht ganz klar, ob man mich je wieder aufnehmen könne. Zu Hause weinte ich ein bisschen.
Schwanger zu sein macht demütig. Man ist einsam, so einsam man zu zweit nur sein kann. Man schützt jemanden, den man noch nicht kennt, dafür aber gleich mit allem, was man hat. Den eigenen Körper gibt man her, die Freiheit, die Attraktivität, die Relevanz und sogar das Feierabendbier. Schwanger zu sein macht selbstsicher: Man sieht, wer man ist, wenn vieles von dem wegfällt, was einen tagtäglich definiert hat. Man erkennt, womöglich selbst überrascht, was man dann noch ist. Gerade noch ordentlich verkontextet gewesen, kann man sich plötzlich noch mal nackt und roh erleben – im Kreißsaal dann im wahrsten Sinne. Das ist ein Geschenk. Noch eins.
Wenn ich heute ein Glas alkoholfreies Bier bestelle, dann immer stolz und sogar ein bisschen trotzig. Ein tolles Getränk. Erst ein erzwungener Verzicht, inzwischen eine wissende Entsagung. Ein Vereinbarungsgetränk. Vereinbarkeit ist ein belastetes Wort. Davon gibt es einige. Die Sprachwissenschaftlerin Elisabeth Wehling erklärt immer wieder, dass Wörter Bilder im Kopf entstehen lassen. Dass es einen Unterschied macht, ob man »Flüchtlinge« oder »Geflüchtete« sagt, und dass man nicht an Frauen in akademischen Spitzenpositionen denkt, wenn jemand von »Professoren« spricht, sondern nur, wenn sie im Wort enthalten sind: ProfessorInnen. Dass so Realität geschaffen wird. Nur so eine Idee: Jever Vereinbarkeitsliebe.
Das alkoholfreie Bier hilft, die besten Dinge des Lebens miteinander zu verbinden. Früher: Schwanger sein und trotzdem in einer Bar sitzen. Heute: Ausgehen und morgens für sein Kind sorgen können. Ganz grundsätzlich: Den üblichen Ablauf mitmachen und trotzdem bei sich bleiben können. Es ist für mich nicht mehr das Getränk, dem etwas fehlt. Es ist das Getränk, das vieles möglich macht.
Dieses Kind, das mir den Ausschluss und die Einsicht beschert hatte, saß neulich bei mir in der Küche und malte. Die Sonne schien durchs Fenster, und weil es Sonntag und eh schon fast Mittag war, hab ich mir ein Bier aufgemacht.