Steffen Schwarz ist Gründer des Kaffeeforschungs- und Weiterbildungsinstituts Coffee Consulate in Mannheim. Er beschäftigt sich seit über 30 Jahren nicht nur mit dem Geschmack, sondern auch den naturwissenschaftlichen Aspekten von Kaffee:
»Einen Kaffee zu 100 Prozent zu entkoffeinieren, ist nicht möglich. Das ist ähnlich wie bei alkoholfreiem Bier oder Wein: Der Grenzwert des Koffeingehalts liegt bei 0,1 Prozent. Um Kaffee zu entkoffeinieren, sind drei Verfahren gebräuchlich. Bei der ersten Variante, auch Schweizer-Wasser-Prozess genannt, wird das Koffein mit Wasser aus den Rohkaffeebohnen gelöst. Hierbei werden die Bohnen so lange mit heißem Wasser behandelt, bis sich das Koffein, aber auch andere wasserlösliche Bestandteile, herauslösen. Das koffeinhaltige Wasser, Green Coffee Extract (GCE) genannt, läuft durch einen Aktivkohlefilter, der die Aromen durchlässt, aber nicht das Koffein. Die Kaffeebohnen werden entsorgt und eine weitere Charge Bohnen quillt in dem koffeinhaltigen Wasser. Da das Wasser aber bereits mit anderen gelösten Kaffeebestandteilen gesättigt ist, geben die neuen Kaffeebohnen dieses Mal nur Koffein ab und die Aromastoffe bleiben erhalten. Diese Schritte werden so lange wiederholt, bis die Bohnen ausreichend entkoffeiniert sind.
Bei der zweiten Variante wird CO₂ verwendet, um die Bohnen zu entkoffeinieren. Dabei wird das CO₂ so stark unter Druck gesetzt und herabgekühlt, dass es sich verflüssigt. Das Koffein in den Bohnen bindet sich unter diesem Druck an das CO₂, wird anschließend herausgezogen und bleibt als Nebenprodukt übrig, welches beispielsweise für die Herstellung von Kosmetik oder pharmazeutische Produkte weiterverwendet wird. Bei der dritten Variante werden die Kaffeebohnen mit dem Lösungsmittel Dichlormethan (DCM) oder Methylenchlorid übergossen, nachdem sie mit Wasser zum Quellen gebracht wurden. Allerdings ist dieser Prozess in Deutschland mittlerweile verboten, da Methylenchlorid im Verdacht steht, krebserregend zu sein. Auch wenn die Chemikalie bestmöglich aus den Bohnen entfernt wird, können sich darin weiterhin Reste befinden. Kurioserweise wird Kaffee, der auf diese Weise im Ausland entkoffeiniert wurde, dennoch in Deutschland verkauft. Für diesen Prozess kann aber auch Etyhlacetat aus Ethanol und Essigsäure verwendet werden, das natürlichen Ursprungs ist. Alle drei Prozesse sind sehr aufwändig und benötigen komplexe Anlagen, über die meist nur auf das Entkoffeinieren spezialisierte Betriebe verfügen. Da sich das Entkoffeinieren für sie erst ab einer Menge von zehn bis 20 Tonnen pro Charge lohnt, ist es für kleinere Röstereien wiederum kaum rentabel, ihren Kaffee dort einzuschicken.
Entkoffeinierter Kaffee hat daher gleichermaßen zu Recht als auch zu Unrecht einen schlechten Ruf. Zu Recht, weil er aufgrund der Verwendung minderwertiger Bohnen in der Regel schlechter schmeckt. Die Nachfrage ist zu gering, weshalb selbst große Betriebe lieber nur ihre schlechteren Bohnen dafür hergeben. Durch den Prozess des Entkoffeinierens, bei dem häufig auch Kaffeewachse und -öle herausgefiltert werden, gehen zudem Aromen verloren. Andererseits aber auch zu Unrecht, da bei der Verwendung besserer Bohnen auch ein qualitativ hochwertigerer Kaffee entstehen würde. Unabhängig vom gewählten Prozess werden die Kaffeebohnen durch das Entkoffeinieren brüchig. Deshalb müssen Kaffeeliebhaber- und liebhaberinnen den Mahlgrad bei der Zubereitung von entkoffeinierten Kaffee dementsprechend anpassen.
Es existieren allerdings auch Kaffeearten, die von Natur aus sehr wenig Koffein enthalten. Beispielsweise Aramosa oder Laurina, deren Koffeingehalt mit 0,3 bis 0,75 Prozent nur etwa halb so hoch ist wie bei Arabica. Wer ganz auf Koffein verzichten möchte, kann auch auf Kaffeealternativen aus Süßlupinen, Getreide oder Malz sowie Zichorien zurückgreifen.«