Warum mögen wir Süßes?

Zucker macht glücklich, liefert Energie. Zu viel davon ist ungesund und macht dick. Selbst wenn wir satt sind, haben wir noch Lust auf ein süßes Dessert. Ein Experte erklärt, was das mit der Steinzeit zu tun hat.

Illustration: Ryan Gillet

Marc Tittgemeyer leitet eine Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut für Stoffwechselforschung und ist Professor an der Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln. Aktuell forscht er mit seinem Team, warum bestimmte Nachspeisen aus neurobiologischer Sicht besonders beliebt sind:

»Wir sind Säugetiere. Die erste Nahrung, die wir zu uns genommen haben, war die Muttermilch, die aus Zucker und Fett besteht. Das ist die erste Exposition für uns mit dem süßen Geschmack. Ein weiterer Verstärker zur süßen Milch, war noch der Kontakt mit der Mutter. Dieser Erstkontakt ist nur einer der Gründe für die Präferenz für Süßes. Ein weiterer Grund ist, dass besonders in Kombination Fett, Zucker auf unsere Antriebskontrolle wirkt. Außerdem haben wir in einer Studie herausgefunden, dass das Gehirn bei Zucker Endorphine ausstößt, und zwar dann, wenn wir schon satt sind. Besonders stark ist dieser Effekt bei der Kombination mit Fett. Um zu verstehen warum, müssen wir bis in die Steinzeit zurückgehen.

Zucker ist für uns überlebenswichtig, damit meine ich nicht Industriezucker, sondern die Kohlenhydrate, die in Glukose umgewandelt werden. Glukose brauchen unsere Zellen, etwa für den Antrieb. In der Nahrung sind Kohlenhydrate eine einfache Energiequelle, anders als etwa Fette oder Proteine, die auch erst in Glukose umgewandelt werden müssen, wofür der Körper aber längere Zeit braucht.

In der Evolution haben wir gelernt, dass es nicht jeden Tag genügend Nahrung gibt und Mechanismen entwickelt, um auch in Zukunft unsere Zellen mit Energie zu versorgen und genügend Reserven anzulegen. Vor vielen Jahrtausenden als die Menschen Jäger und Sammler waren, war es mühsam und aufwendig, an Nahrung zu kommen. Wenn etwas erjagt oder etwas gefunden wurde, sollte man möglichst lange davon zehren. Jedoch war es damals nicht gut möglich, die Nahrung lange zu lagern, ohne dass sie verdirbt. So kam es, dass über den eigentlichen Verbrauch hinaus Nahrung zu sich genommen wurde, die der Körper dann in Fettpolster umgewandelt hat, also in körpereigene Reserven.

Wenn man sich den Bauch vollgeschlagen hat, fühlt sich das nicht so gut an, man ist träge. Üblicherweise würde man sich so satt nicht in Bewegung setzen. Nun, wäre jedoch das Verweilen an einem Ort damals sehr gefährlich, da könnte etwa ein Raubtier kommen. Also wurde zum Schluss noch etwas mit Zucker gegessen, da das einen Energieschub gibt, um sich wegzubewegen. Heute werden wir nicht vom Löwen gefressen, sondern müssen nur vom Restaurant nach Hause kommen. Warum wir Lust auf ein süßes Dessert nach einem üppigen Essen haben, lässt sich also mit der Evolutionsgeschichte erklären.«