Konrad Kuhn ist Kulturanthropologe und Professor für Empirische Kulturwissenschaft an der Universität Innsbruck. Er forscht zu Kulturerbe, Bräuchen und zur Wissensgeschichte speziell im alpinen Raum:
»Ursprünglich stammt Halloween aus Irland und hat angeblich keltische Wurzeln. Die Kelten kannten offenbar Zeiten, in denen die Grenzen zwischen Leben und Tod besonders durchlässig waren. Ende Oktober sollen die Türen zwischen unserer Welt und der der Geister jeweils offenstehen. Die Menschen schützen sich, indem sie leuchtende Köpfe aufstellten, um die Geister zu vertreiben – oder zu verwirren. Doch schon hier beginnt die Unsicherheit, denn die keltische Kultur war schriftlos, vieles ist nur interpretierbar, deswegen können wir nicht genau sagen, wann und wie bestimmte Bräuche entstanden. So entstehen viele Mythen.
Eine der bekanntesten Geschichten ist etwa die von Jack O’Lantern, einem Bauern, der den Teufel überlistete und nach seinem Tod weder in den Himmel noch in die Hölle durfte. Der Teufel war immer noch verärgert und warf ihm ein Stück Kohle zu, das Jack in eine ausgehöhlte Rübe steckte, um seither mit dieser Laterne ruhelos zwischen den Welten der Lebenden und der Toten umherzuwandern.
Im 19. Jahrhundert wurde der Brauch, schaurige Laternen zu schnitzen, mit irischen Auswanderern in die USA getragen. Dort wandelte er sich zu einem Kinder- und Schülerspaß. Irgendwann fing man dann an, Kürbisse zu schnitzen, denn sie sind ein wichtiger Bestandteil der nordamerikanischen Ernährung. Schon die Ureinwohner haben Kürbisse angebaut. Seit den 1990er-Jahren ist Halloween wieder nach Europa zurückgekommen. Auch hierzulande werden Kürbisse ausgehöhlt. Ursprünglich wurden auch Rüben genutzt, doch die waren schwerer zu bearbeiteten.
Mit der zunehmenden Popularität wuchs auch die wirtschaftliche Dimension. Kürbisse wurden gezielt angebaut, in der Küche oder für Events genutzt. Es gibt mittlerweile auch in Deutschland Wettbewerbe, in denen der größte Kürbis gewählt wird und ganze Feste, auf denen hunderte von Kürbissen zur Dekoration eingesetzt werden.
Das Schnitzen selbst erlaubt kreatives Spielen, Gruseln, Rollenwechsel und kollektives, aber ungezwungenes Mitmachen. Das Fruchtfleisch kann zudem zu Suppe verarbeitet werden, sodass der Kürbis zugleich dekorativ und kulinarisch genutzt wird. Die Kürbisse vereinen alte Bräuche, praktische Gründe und das moderne Bedürfnis nach Spiel, Grusel und Gemeinschaft. Einen Kürbis ins Fenster oder in den Vorgarten zu stellen, ist auch kein großer Aufwand, um sich als Teil der Gruppe zu fühlen. Ich empfehle übrigens erst das Einritzen der Fratze von außen und danach erst das Aushöhlen, dann gelingt der Halloweenkürbis sicher.«

