Schutz oder Geld

Unsere Leserin will bei einem Freund endlich ihre Schulden begleichen. Der hat in der Zwischenzeit aber ein Drogenproblem entwickelt – und könnte das Geld dafür nutzen. Was ist richtig: Geld zurückzahlen oder aus Fürsorge zurückbehalten?


Illustration: Serge Bloch

»Vor einem Jahr baute ein Bekannter für meinen Balkon ein Holzpodest. Den Betrag für die Ausgaben teilte er mir verspätet mit und erbat ihn sich in bar. Seitdem hat er den Kontakt ­massiv eingeschränkt. Ich habe ihn mehrmals wegen Übergabemöglichkeiten kontaktiert: keine Antwort. Da ich es hasse, ­jemandem etwas zu schulden, hat mich das ziemlich genervt. Von einer gemeinsamen Freundin erfuhr ich, dass er wohl ein ernsthaftes Drogenproblem entwickelt hat. Sie sagte, ich solle ihm das Geld jetzt nicht geben, da es ihn nur in seinem Konsum unterstützen würde. Mit dieser Argumentation bin ich nicht einverstanden. Ist es andererseits aber nicht egoistisch von mir, wenn ich mein Bedürfnis, schuldenfrei zu sein, ohne Rücksicht auf mögliche Folgen umsetze?« Laura B., Berlin

Die Information, dass Ihr Bekannter derzeit ein Drogenproblem hat, ist für die Abmachung zwischen Ihnen beiden irrelevant. Er hat für Sie gearbeitet, offenbar zu Ihrer Zufriedenheit, und dafür steht ihm noch Geld zu. Was auch immer er damit zu tun gedenkt. Er ist ein erwachsener Mensch, den Sie in Ihrer Rolle als Empfängerin eines von ihm er­bauten Podests weder bestrafen noch beschützen müssen, sondern einfach nur entlohnen beziehungsweise ihm die Ausgaben erstatten, die er dafür hatte.

Bevor Sie sich noch länger damit quälen, ständig im Hinterkopf haben zu müssen, dass Sie ihm noch sein Geld schulden, sollten Sie versuchen, es ihm nun wirklich zukommen zu lassen. Es ist immerhin bereits ein Jahr verstrichen. Schicken Sie ihm das Geld nicht per Einschreiben, das wirkt unnötig aggressiv. Er ist schließlich, wie Sie schreiben, ein Bekannter. Es gibt eine gemeinsame Freundin, das legt den Schluss nahe, dass er in irgendeiner Form zu Ihrem erweiterten Freundeskreis gehört. Versuchen Sie, ihn gezielt persönlich zu treffen. Das Geld haben Sie dann dabei. Und vielleicht fragen Sie ihn bei dieser Gelegenheit auch einfach mal, wie es ihm geht. Sie müssen ihm kein Gespräch aufzwingen, ihn zu nichts bekehren, Sie müssen und sollten noch nicht einmal ansprechen, dass Sie gehört haben, er habe ein Problem. Denn wozu? Es würde nichts ändern, sondern nur die Situation für ihn unangenehm machen. Sie müssen diesem Mann nicht helfen – sondern einfach Ihre Schulden begleichen.

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Sie sollten das wirklich bald tun. Betrachten Sie es einfach als Ihren Teil der Abmachung, dass Sie für die Bezahlung des Podests auf den Erbauer zukommen müssen. Finden Sie ihn, selbst wenn das mehrere Anläufe benötigt, überreichen Sie das Geld – und Sie sind frei!