Geldwerte Enkel

Unsere Leserin erhält von ihren Eltern ein kleineres Geldgeschenk zu Weihnachten als ihre Schwester. Die Begründung: Sie habe halt ein Kind weniger. Ist das fair?

Illustration: Serge Bloch

»Meine Schwester und ich erhalten jedes Weihnachten von meinen Eltern ein größeres Geldgeschenk. Wir bräuchten das Geld beide nicht, freuen uns aber darüber. Meine Eltern überweisen meiner Schwester immer einen höheren Betrag als mir, weil meine Schwester eine größere Familie hat. Sie hat zwei Kinder, ich habe ein Kind. Mein Mann und ich hätten wahnsinnig gern auch mehr Kinder gehabt, aber nach mehreren Fehlgeburten haben wir es aufgegeben. Es schmerzt mich, dass meine Eltern den Geldbetrag an der Familiengröße festmachen. Sollte ich meine Enttäuschung ansprechen?« Marina K. Kallmünz

Ich weiß nicht, ob Sie das tröstet, aber es gibt ganz viele, die das gleiche Problem haben wie Sie. Also Töchter und Söhne, deren Eltern nicht oder nicht immer mitdenken, dass sie nicht freiwillig keine oder weniger Kinder bekommen haben, und das bei Zuwendungen nicht berücksichtigen. So bekommt dann das Kind mit den meisten Kindeskindern das Auto vermacht, das die alten Eltern nicht mehr fahren – und die Schwester oder der Bruder, der keine Kinder hat, bekommt halt kein Auto. Oder keine Wohnung. Oder eine kleinere. Oder eben ­weniger Geld.

Das ist bestimmt nicht böse gemeint, sondern einfach nur pragmatisch gedacht und/oder gedankenlos. Aber auch eine solche Gedankenlosigkeit tut natürlich weh. Es kommt ja zur Tatsache, dass Sie ­finanziell benachteiligt werden, das Gefühl dazu, für das, was Ihnen widerfahren ist, auch noch bestraft zu werden. Oder jedenfalls nicht gesehen in dem Schicksal, das ein unerfüllter Kinderwunsch ist. Anders sähe die Sache aus, wenn Ihre Eltern jedes Mitglied der Familie einzeln bedenken würden. Aber da sie ihre Geberlaune auf ihre genau zwei Kinder konzentrieren, sollten sie auch beide genau gleich behandeln. Damit würden sie auch verhindern, dass es sonst eines fernen Tages, wenn die Eltern nicht mehr sind, zwischen Ihnen und Ihrer Schwester ganz fürchterlich kracht.

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Es geht in dieser ganzen Angelegenheit nicht ums Geld, das Sie ja, wie Sie schreiben, beide nicht brauchen. Es geht um etwas viel Größeres: darum, sich von den Eltern ge­sehen und ernst genommen zu fühlen. Ihr Glück: Ihre Eltern leben. Reden Sie mit ­ihnen. Sagen Sie ihnen, wie es sich für Sie anfühlt, wenn Ihre Schwester, die vom Schicksal bekam, was auch Sie sich ersehnt hätten, nun auch noch finanziell bevorteilt wird. Wenn Ihre Eltern kein Einsehen haben, schreiben Sie uns wieder!