Auf den deutschen Wikipedia-Seiten hat jemand Baumhäuser beleidigt. »In Europa werden Baumhäuser üblicherweise als Spielmöglichkeit für Kinder und neuerdings auch als Büros errichtet«, steht dort. Quelle fehlt. Beleidigend ist das, weil: Spielmöglichkeit, natürlich, aber gearbeitet wird im Baumhaus doch nicht. Im Baumhaus werden keine Resultate erzielt. Vielleicht berät dort eine Bande, oder man versteckt sich. Aber nicht wie im Büro. Sondern wie in einem Traum.
Der kalifornische Künstler Jedediah C. Voltz bezeichnet sich selbst als »unheilbaren Träumer«, er ist damit von Baumhause aus also Experte. Von ihm stammen die Kunstwerke, die wir auf diesen Seiten zeigen. Oft träumt sich der Mensch aus kleinen Lebensumständen ins Große, beim Baumhaus in der Zimmerpflanze ist es umgekehrt. Denn womöglich ist der Traum vom Ausbruch, vom anderen Leben so groß, dass er sich nur noch symbolisch verwirklichen lässt: Guck mal, da ist eine Utopie in meinem Ficus.
Das ist schön gegensätzlich, weil Zimmerpflanzen so alltäglich und gezähmt sind. Lange Zeit galten sie als ein Inbegriff von Spießigkeit. George Orwell hat aus diesem negativen Image einen ganzen Roman geschaffen: Die Wonnen der Aspidistra. Darin gibt der Protagonist seine Träume auf und kapituliert vor der ihm verhassten bürgerlichen Welt, indem er eine Aspidistra erwirbt (auch Schusterpalme genannt, 21,99 Euro im Gartencenter). George Orwell überlegte danach wohl sehr gründlich, ob ihm etwas noch Bedrückenderes als die Zimmerpflanze einfiele, und dann schrieb er 1984.
Wenn nun die Zimmerpflanze das Baumhaus trägt, passieren zwei Dinge. Das Baumhaus, das eigentlich nach draußen gehört, kommt rein. Und die Zimmerpflanze, die eigentlich nach drinnen gehört, wird durchs Baumhaus wieder Wald und Dschungel, die Grenzen zwischen Innen und Außen lösen sich auf. Wenn die Zimmerpflanze sich in dieser Rolle wohlfühlt und wuchert, was passiert mit dem Baumhaus? Möchtest du einen Ableger von einem Traum?
Die Frage ist außerdem, ob man sich das auch ins Büro stellen könnte. Klar, besser als umgekehrt.