Toilettentür-Architekten, was macht ihr eigentlich beruflich?

Klos in Restaurants und Büros sind fast immer so gebaut, dass man nach dem Händewaschen die Türklinke anfassen muss. Gibt es Auswege? Ja, Italien zeigt wie es geht.

Von der Türklinke ins gesamte Gebäude, das schaffen Viren in teilweise nur zwei Stunden

Illustration: Paul d`Orlando

Der Wiesnwirt ist ratlos. Das Ministerium ist ratlos. Der Gaststättenverband ist ratlos. Und man selbst ist völlig ratlos, seit Jahren. Warum werden Toilettenräume oft so gebaut, dass es möglichst schwierig ist, sie mit sauberen Händen zu verlassen?

Die Idee beim Einbau von Waschbecken, Wasserhähnen und Seifenspendern müsste doch gewesen sein: Die Menschen sollen mit gereinigten Händen zurück in den Speise­raum, ins Büro oder in den Krankenhausflur kommen. Aber dann steht man mit seinen vorbildlich 20 Sekunden lang gewaschenen Händen vor der Tür, will hinaus – aber der Weg führt über die Klinke. Die die Tür nach innen öffnet. Und die alle anfassen.

Denkt man sich in Architekturbüros: »Ja gut, äh, dann sollen die halt einfach mit der Ferse die Klinke runterdrücken und die Tür rückwärts hüpfend aufziehen.« Gehen Gebäude­planer selber nie in Restaurants und auf öffentliche Toiletten? Darum die Anrufe beim erfolgreichen Großgastronomen, bei der obersten Baubehörde und dem freundlichen Verbandssprecher. Da muss es doch eine Bauvorschrift geben, die man nicht kannte. Oder eine unerwartet logische Erklärung. Aber leider: nein. Keiner der Befragten wüsste von einer Regelung, die Architekturbüros zwingt, die Ein- und Ausgangstüren zum WC nicht einfach so zu bauen, dass man sie leicht nach außen aufdrücken kann. Das Bauordnungsrecht erlaubt darum übrigens auch den Einbau von dicht schließenden Pendeltüren oder automatischen Schiebetüren.

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Die Lösung mit der Schwingtür habe ich im Urlaub in Italien gesehen. Man feiert das Land ja für sein Essen, die Kultur, die Mode – aber nicht genug für seine Toilettentürarchitektur. Zudem hatten die toskanischen Restaurants auch noch Wasserhähne eingebaut, die man nicht wie bei uns oft mit der Hand zudrehen muss – sondern mit dem Fuß bedienen konnte, wie bei einem Gas­pedal. Nach dem Händewaschen konnte man also kontaktlos bis zum Brotkorb oder Pizzateller zurückgehen. So einfach ist die Lösung! So selten sieht man sie! Und offenbar gibt es auch keine strenge EU-Verordnung, die diese Wirte und Wirtinnen zwingt, ihre benutzerfreundlichen WCs wieder abzureißen oder hohe Strafen zu zahlen.

Und wer jetzt denkt, reg dich doch nicht so auf, lieber SZ-Redakteur, dann fasst man die Tür halt kurz an, da stirbt schon keiner ... mag sein (gleich mehr zu Krankenhauskeimen übrigens), aber haben Sie beobachtet, wie viele Männer das Klo verlassen, ohne sich die Hände zu waschen? Stellen Sie sich das schön bildlich vor, was die eben noch so alles in der Hand hatten. Argh, oder?

Viren, los!

Jetzt doch mal kurz zur Ge­fahrenstufe des Klotür­anfassens: Stimmt, man stirbt nicht schlagartig dabei, wenn man, sagen wir, im McDonald’s beim Verlassen des WCs seine Hände nimmt zum Türöffnen – und mit den selben Fingern ­30 Sekunden später seinen Cheeseburger hält oder die Pommes. Aber ein Test der Uni Münster auf 136 Flughäfen in 59 Ländern ergab, dass vor allem die inneren Türklinken der Toiletten kontaminiert waren, dort fanden die Forscher etwa multi­resistente Bakterien. Die Dinger, die jedes Krankenhauspersonal fürchtet. Ein anderes Experiment in einem Bürogebäude zeigte, dass ein Virus in nur zwei Stunden von einer Klinke ins gesamte Gebäude verteilt wurde. Jetzt wird es noch etwas unappetitlicher: Weil an öffent­lichen Toiletten gerne sparsam dünnes Klopapier gekauft wird, übertragen sich dann Darmkeime an die Türklinke.

Dirk Bockmühl, Professor für Hygiene und Mikrobio­logie an der Hochschule Rhein-Waal, sagt in einem Interview, dass sich Bakterien auf Türklinken zwar nicht gut vermehrten, aber sie überlebten dort lange. Bei Noroviren reiche zudem eine geringe Menge zur An­steckung.

Dem Robert-Koch-Institut zufolge konnten folgende Erreger von unbelebten Flächen auf die Hände übertragen werden: Salmonellen, Klebsiellen und Staphylococcus aureus, Escherichia coli, Rhino- und Rota­viren. Hier ein Zitat aus der betreffenden RKI-Studie: »Von mit Bakteriophagen kontaminierten Türgriffen und Hautoberflächen wurden diese auf mehrere Personen nach­einander übertragen.«

Auch das Internet rätselt in vielen Forenbeiträgen, warum Waschraumtüren so oft nach innen aufgehen. In einigen Fällen könnte die Erklärung sein, spekuliert man, dass der Flur vor dem Klo sehr eng ist. Also die ­Gefahr besteht, dass jemand die Klotür mit voller Kraft nach außen aufreißt und damit vorbeigehende Gäste k.o. schlägt. Aber warum sollte jemand Türen wie ein mittel­alterlicher Rammbock öffnen? Und würde so jemand die Klotür beim Eintreten nach innen nicht ebenso aufreißen und dort jemanden umhauen? Das bayerische Bau­ministerium bietet als mögliche Erklärung noch an, dass eine nach außen öffnende Tür eventuell den Rettungsweg beeinträchtigen könnte. Dann müsste aber doch jemand die Tür absichtlich aufhalten, damit Sanitäter nicht vorbeikommen. Es bleibt rätselhaft.

Türe auf!

Aber es gibt Hoffnung. Eine Reihe von Unternehmern bastelt (seit Corona zumal) an der sauberen Klotür. Es gibt bereits: Eine Türklinke, entworfen von drei Dortmunder Azubis, die sich nach Gebrauch vor einem UV-Licht dreht, um die DNA von Krankheitserregern zu zerstören. Ein Schweizer Textilspezialist verkauft selbstreinigende Handschuhe mit antiviraler und antibakte­rieller Oberfläche. Andere Türgriffe desin­fizieren sich mit einem ringförmigen Schwamm, der nach jeder Benutzung über die Klinke gezogen wird. Weitere Klotür-Patente haben viren­feindliche Schutzschichten oder lassen sich per ­Ellenbogen öffnen.

Bis diese Erfindungen den Markt erobert haben, hier meine Top-Fünf-Tricks zum Öffnen von Klotüren in öffentlichen Räumen: 5. Mit Anlauf einrennen. (Tut etwas weh.) 4. Warten, bis jemand reinkommt, und schnell hinaus­huschen. (Kann auch mal 20 Minuten dauern, Vorsicht mit schnell zufallenden Türen!) 3. Mit dem Ärmel die Klinke runter­drücken. (Lieblings­pulli lieber daheimlassen.) 2. Einen Yogakurs machen und so dehnbar und stark werden, dass man selbst tonnenschwere Regionalzugklotüren mit dem großen Zeh aufziehen kann. 1. Werfen üben. Hoffen, dass es im WC Papier­tücher gibt. Klinke mit Papiertuch öffnen, Tür mit Fuß aufhalten, dann Papierkorb oder Kloschüssel anvisieren. Treffen.