Die beiden Männer, die sich für dieses Interview einer Bar in München zum ersten Mal begegnen, wirken auf den ersten Blick sehr unterschiedlich: Antoine Deltour, ein schmächtiger Franzose nimmt zuerst Platz. Wenig später kommt Bradley Birkenfeld, ein Amerikaner mit der Statur eines Football-Spielers. Dabei haben beide eine ähnliche Entscheidung getroffen: Als Whistleblower haben sie milliardenschwere Steuertricks von reichen Kunden ihrer damaligen Arbeitgeber aufgedeckt. Mit dem Unterschied, dass Birkenfeld dafür reich belohnt wurde – und Deltour nur bestraft.
Birkenfeld war als Privatbanker bei der Schweizer Bank UBS ein Luxusleben gewohnt – in seinem kürzlich erschienenen Buch »Luficer’s Banker« beschreibt er teure Reisen und schnelle Autos als seine Form der Entspannung. Doch eines Tages findet er Dokumente im internen Firmennetzwerk, die auf zweifelhafte Geschäftspraxis hindeuten – und hört von seinen Chefs nur Ausflüchte. Er geht der Sache nach, kopiert Unterlagen und deckt damit auf, wie reiche Kunden systematisch ihr Geld in der Schweiz verstecken – am Finanzamt vorbei. Er gibt die Dokumente an die amerikanischen Behörden weiter und deckt damit Steuerbetrug in Milliardenhöhe auf. Dann passiert etwas Unglaubliches: Wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung wird Birkenfeld zunächst zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt – und dann reich belohnt. Von den damit eingetriebenen Steuereinnahmen bekommt er, dank eines neuen Gesetzes zur Förderung von Whistleblowern, einen Teil als Belohnung: 104 Millionen Dollar. Heute sagt er: »Es war noch nie vorgekommen, dass jemand von einer Regierung zu einer Gefängnisstrafe verurteilt und wenig später für dieselbe Tat mit über hundert Millionen Dollar belohnt wird. Da hat sich die Regierung lächerlich gemacht.«
Antoine Deltour muss schmunzeln, als er diesen Satz hört. Er war Angestellter bei einer Wirtschaftsprüfungsfirma in Luxemburg – und hat dort Dokumente gefunden, mit denen sich Steuervermeidungstricks von Großkonzernen belegen ließen. Auch er hat die Daten kopiert und nach einiger Bedenkzeit an einen Journalisten weitergegeben. Der Fall ging als »Lux Leaks« um die Welt, der luxemburgische Finanzminister bezeichnete die Veröffentlichung als »schlimmsten Angriff, der Luxemburg je passiert ist«. Dieses Jahr wurde Deltour zu einer Gefängnisstrafe auf Bewährung und zu 1500 Euro Strafe verurteilt. Im Dezember geht er in Berufung. »Wir bräuchten in Europa einen besseren Schutz für Whistleblower«, sagt er. Denn ohne Menschen, die mutig genug sind, Fehlverhalten ihrer Arbeitgeber offenzulegen, blieben viele Dinge unentdeckt.
Im Doppelinterview erzählen die Beiden von ihrer Motivation, Unrecht öffentlich zu machen, ihrem neuen Leben als Whistleblower, der Ungerechtigkeit, warum nur einer von ihnen belohnt wurde – und machen Vorschläge, wie sich Enthüller besser schützen könnten.
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Foto: Markus Burke