Ach, komm doch

Unter Männern kursieren abenteuerliche Thesen darüber, woran man einen »echten« weiblichen Orgasmus erkennt. Dabei muss man doch nur bis zwölf zählen können. 

Für Männer ist es oft nicht einfach, zu verstehen, wann komplexe Vorgänge abgeschlossen sind und keine weiteren Anstrengungen mehr von ihnen erwartet werden. Daher gibt es in Betrieben den Quartalsabschluss oder das Feedback-Gespräch, beim Fußball den Schlusspfiff, und in der Autowaschanlage leuchtet am Ende die Tafel »Sie haben erhalten: Standard plus mit Felgenwäsche, Unterboden und Heißwachs«, zum Zeichen, dass der Vorgang erfolgreich abgeschlossen ist und man sich wieder anziehen kann. In diesem Sinne ist, muss man sagen, der weibliche Orgasmus der Leistungsnachweis des heterosexuellen Mannes, das Zeichen: Sie haben Ihr Ziel erreicht.

Da Orgasmen mitunter flüchtig oder unerreichbar sind, sind Frauen dazu übergegangen, sie ab und an vorzutäuschen, um den Vorgang, sobald sie ihn als eher anstrengend und übertrieben zeitaufwendig empfinden, abschließen zu können und dem beteiligten Mann diesen Schluss klar zu kommunizieren. Also leben Männer mit der Furcht, gewissermaßen um den Preis für ihre Mühen, die Früchte ihrer Arbeit betrogen zu werden.

Vom Beginn der Geschlechtsreife an kursieren daher abenteuerliche Thesen darüber, woran man einen »echten« Orgasmus erkennt: an Hautrötungen am Hals, erigierten Brustwarzen oder eidesstattlichen Versicherungen. Wissenschaftlich belegt ist in erster Linie die so genannte »orgiastische Manschette«, die einem bestimmten Rhythmus folgenden Kontraktionen des vorderen Vagina-Drittels: drei bis zwölf müssen es sein.

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Durch diese Information wäre auch geklärt, weshalb ein Fünftel aller Menschen während des Sex ihr Smartphone benutzen. Nicht etwa, um ihren Fortschritt zu twittern, ihr mühsam ladendes Update aufs nächste Apple-iOS zu überwachen oder den Namen ihrer Sexualpartner zu ergoogeln. Sondern offenbar, um per Stoppuhr-App die eine Minute abzupassen, während derer man dann die Kontraktionen zählt.

Die Analyse der »orgiastischen Manschette« ist möglicherweise für jene große Zahl von Männern interessant, die ohnehin technikaffin sind und ingenieurswissenschaftliche Tendenzen haben. Eine Alternative wäre, verbal oder nonverbal sowas zu kommunizieren wie: »Soll ich noch oder eher nicht?«, und sich dann auch mit einem einseitig offenen Ende zufrieden zu geben. Orgasmus-Etikette statt orgiastischer Manschette.

Illustration: Eugenia Loli