Ein neuer Name für den Valentinstag

Statistiken belegen, dass es am Valentinstag hauptsächlich um Sex geht. Ihn also gleich »Sex-Tag« zu nennen, hätte überraschende Vorteile – in der Partnerschaft wie im Freundeskreis.

Seit einigen Jahren versuchen die Geschenke-Industrie, Floristenverbände und Gastronomiebetriebe mit zu vielen Zweiertischen, den Valentinstag auch in Deutschland als ökonomische Realität zu etablieren. Auf den Sonderverkaufsflächen noch der unromantischsten Discounter findet man Rosengestecke, Frühstücksbrettchen mit Liebeserklärungen und palettenweise Pralinenverpackungen in Herzform. All dies verschwindet am nächsten Tag wieder in den Lagern der Großhändler, denn nur ein Tag im Jahr ist der Liebe geweiht: der 14. Februar. Alle anderen 364 sind diesem Verständnis nach Feiertage des wohlwollenden Desinteresses bzw. des gepflegten Miteinander-Aushaltens.

Die Ursprünge des Valentinstags liegen im Dunkeln, warum er ausgerechnet nach einem Heiligen benannt ist, der das Martyrium durch Enthaupten erlitt, können am ehesten tiefenpsychologisch geschulte Paartherapeuten beantworten. Tatsache ist, dass es an diesem Tag, entgegen der Bemühungen der Blumen- und Süßwarenindustrie, nicht um Romantik und Geschenke geht. Zwar geben die US-Amerikaner für den Valentinstag jedes Jahr 18,6 Milliarden Dollar aus und verschenken 224 Millionen Rosen, aber ihr Ziel ist dabei nicht in erster Linie, dem Partner oder der Partnerin Dankbarkeit und Anerkennung zu zollen, sondern: Sex. 85 Prozent der US-Amerikaner (Bewohner des Stammlandes wirtschaftlich ausgenutzter Romantikklischees) sagen, dass für sie das Wichtige am Valentinstag Sex ist. Die US-Kondom-Lobby schätzt, dass am Valentinstag pro Sekunde 87 Kondome benutzt werden (vermutlich pro Romantikhotel, ansonsten würde die Zahl nur rund 7,5 Millionen Kondome am Tag ergeben, was knapp bemessen scheint). Daher ist der Valentinstag in den USA zugleich offizieller »National Condom Day« (vorbehaltlich ausstehender Trump-Dekrete).

Aus all dem folgt, dass es ehrlicher wäre, den Valentinstag schlicht in »Sex-Tag« umzubenennen. Der Name ist nicht nur griffiger, sondern vor allem authentischer, harte Währung im Branding. Die Vorteile liegen auf der Hand: Der Kitsch würde von den Sonderverkaufsflächen verschwinden, US-Sitcoms müssten auf frische Ideen kommen statt sich einmal pro Staffel auf »X und Y missverstehen einander am Valentinstag, hihi« zu verlassen, und die Abschaffung des Valentinstags wäre im Sinne der Paarpsychologie: Natürlich ist es sinnlos, an einem einzigen Tag im Jahr die Liebe zu feiern, wenn man es eigentlich jeden Tag tun müsste. Und zwar, indem man, so die Ergebnisse der Forschung, dem Partner die ganze Zeit über Angebote zur positiven Kommunikation macht und indem man selbst positiv reagiert auf die Angebote des anderen. Diese Angebote heißen in der Forschung »bids«, kleinste Aufforderungen, es miteinander nett zu haben. Magst du einen Teil von der Zeitung? Danke, dass du die Kinder abholst. Komm, wir bleiben noch ein bisschen liegen. Diese kleinsten Töne machen die Musik, und nicht der eine schmalzige Akkord am internationalen Kitschtag.

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Der Valentinstag feiert die ältesten heteronormativen Klischees, sein Nachfolger wäre sexpositiv und würde funktionieren, ohne dass »sie« hoffen muss, dass »er« die Reservierung für das Kerzenlichtdinner nicht verbaselt hatte. Für alle, die gewohnt sind, nur einmal im Jahr Sex haben, wäre der »Sex-Tag« ein guter Erinnerungsservice oder eine Einladung, die Quote um 100 Prozent zu steigern. Und nie wieder bekäme man im Bekanntenkreis die zaghafte Frage »Macht Ihr eigentlich was am Valentinstag?« gestellt. Denn das kriegt man mit »Sex-Tag« nicht formuliert.

Illustration: Eugenia Loli