Ein spezielle Form von Naturliebhabern macht seit einiger Zeit auf sich aufmerksam: die Ökosexuellen. Ihre sexuelle Orientierung lässt sie Erfüllung in und vor allem mit der Natur finden. Sie reiben sich an Bäumen, wälzen sich im Schlamm, penetrieren Erdlöcher, lassen sich von Wasserfällen befriedigen, masturbieren zum Anblick kurviger Wolkenformationen, führen sich phallisches Gemüse ein. Maßgeblich geprägt wird die Bewegung von Annie Sprinkle und Beth Stephens, zwei kalifornischen Künstlerinnen, die die Natur nicht länger als »Mutter«, sondern als Liebhaberin begreifen wollen und sich in Workshops und Kunsthappenings der körperlichen Vereinigung mit der Natur verschrieben haben. Das alles soll nicht nur der eigenen Lust dienen, sondern auch den Umweltschutz stärken, schließlich ist der Mensch eher geneigt, zu schützen und zu bewahren, was ihm Orgasmen bereitet.
Mehr als 100.000 Menschen sollen sich weltweit als ökosexuell bezeichnen, so schätzt eine amerikanische Soziologin, die das Phänomen erforscht hat. Mehr gesellschaftliche Akzeptanz könnte weitere Menschen ermuntern, zu ihrer Ökosexualität zu stehen und sie auch offen auszuleben.
Die Sache hat nur einen Haken: Die Natur wurde nicht gefragt. Mehr noch: Es gibt einige untrügliche Zeichen, die darauf schließen lassen, dass die Natur diese Liebe nicht erwidert und gar nicht von uns penetriert, eingeführt, massiert, besprungen oder auch nur bewundert werden will.
Da wäre zum Beispiel die Heuschnupfensaison. Sie ist die Zeit, in der die Natur selbst ihre sexuelle Potenz zeigt und ihr Sperma in Form von Pollen übers Land verteilt. Dass ein Viertel der Menschen wenigstens zweitweise allergisch auf diese Öko-Orgie reagiert, ist Absicht. Die Natur will uns mitteilen, dass sie auf unsere Gesellschaft beim Sex keinen Wert legt, es sehr gut mit sich selber treiben kann und im übrigen Bienen bevorzugt. Ist die Heuschnupfensaison vorbei, startet die Mücken- und Wespensaison, eine Botschaft an den Homo Sapiens, sich doch bitte in seinem ihm zugedachten Habitat aufzuhalten (Wohnzimmer), anstatt die Natur durch Essen, Trinken, Rumhängern oder gar Sex unter freiem Himmel in ihrem Ruhebedürfnis zu stören.
Kaum sind die letzten Wespen und Mücken verschwunden, beginnt die kalte Jahreszeit, die Natur zwingt den Menschen dazu, sein welkes Fleisch zu bedecken. Nur noch die ganz harten Matsch- und Modder-Fetischisten tummeln sich jetzt noch in libidinöser Absicht im Wald, bald werden Minusgrade auch sie vertreiben. Dann hat die Natur eine Weile Ruhe vor den Menschen, bis alles wieder von vorne losgeht. Ein ewiger Kreislauf.
Die Jahreszeiten sind also nichts weiter als der verzweifelte Versuch der Natur, dem Menschen seine Verschmelzungssehnsucht auszutreiben, Flora und Fauna arbeiten gemeinsam daran, die Ökosexuellenquote möglichst niedrig zu halten. Lauscht man dem Wind, wie er durch das erste zarte Grün der Bäume weht, hört man ihn wispern »Ich mag Dich echt, bist ein super Typ. Aber zwischen uns wird nie mehr sein als Freundschaft.«
Illustration: Sammy Slabbinck