Für all die heterosexuellen Singlemänner da draußen, die trotz intensiven Tinderns und Parshipens keine Partnerin finden, hat sich nun eine interessante Marktlücke auf dem Single-Markt aufgetan: die vegane Frau. Laut dem alternativ-ökologischen Datingportal »Gleichklang« wünschen sich 85 Prozent aller veganen Singles einen Partner, der, wenn schon nicht vegan, dann doch wenigstens vegetarisch lebt. Gleichwohl müssen 53 Prozent der veganen Frauen mit einem fleischessenden Partner zusammen leben, und dies - so mutmaßt der Gleichklang-Psychologe Guido F. Gebauer - wohl eher aus Not denn aus Begeisterung.
Da warten also tausende gesunde, schlanke, tierliebe Gemüsespezialistinnen auf Rettung, denn auch wenn sich die vegane Lebensweise immer mehr durchsetzt, kommen doch nach wie vor drei vegane heterosexuelle Frauen auf einen veganen heterosexuellen Mann. Der vegane Mann dürfte demnach deutlich mehr Sex haben als der fleischessende Durchschnittshetero - und das auch noch länger, und häufiger, weil laut einer Studie vegane Männer seltener unter Erektionsschwierigkeiten leiden.
Was also könnte einsame Fleischesser davon abhalten, in ein neues, veganes Leben, umringt von paarungswilligen Frauen, zu starten? Ist es wirklich so schwer, Ernährungsgewohnheiten zu ändern, wenn dafür ewiges Liebesglück winkt? Das Zögern des einsamen Fleischessers muss wohl auch mit dem schlechten Image zusammenhängen, das dem veganen Mann anhaftet. Noch immer hält man ihn für einen blutleeren, freudlosen, irgendwie unmännlichen Liegeradfahrer, während es immer noch als besonders männlich gilt, möglichst große Fleischbrocken in Bier zu marinieren und dann auf sehr teure Kugel-grills zu schmeißen. Einen Gemüsespieß auf dem Grillrost zu platzieren oder um einen Quinoa-Bratling zu bitten in ist vielen Männerunden immer noch der soziale Tod.
Einsame Männer, die sich nach Liebe sehnen und dafür bereit wären, ihren Marktwert durch den Verzicht auf Tierprodukte zu erhöhen, wird dieser Schritt unnötig schwer gemacht. Warum hat die Vegan-Industrie nicht längst ein paar Übergangsprodukte für Männer an der Schwelle zum Veganismus auf den Markt geworfen? Inzwischen ist sie ja in der Lage, geschmacklich und optisch kaum vom Original zu unterscheidende Tofu-Lyoner zu produzieren, warum dann nicht auch eine vegane Lammkeule am Kunstknochen, aus der beim Anschneiden Rote-Beete-Saft läuft? Könnte nicht eine Umbenennung von Tofu in To-fuck der veganen Stadionwurst zu mehr sozialer Akzeptanz unter Fußballfans verhelfen? Was spricht dagegen, Amaranth und Quinoa nicht als Ökotussen-Müsli zu bewerben, sondern als Wunderdroge wehrhafter Inka-Krieger? Ein paar speziell auf die Zielgruppe zugeschnittene Motto-T-Shirts mit Sprüchen wie »Eier? Hab ich selber!« oder »Willst Du mal meine Soja-Latte sehen?« könnten verunsicherten Fast-Veganern selbst am Ballermann zu mehr Selbstvertrauen verhelfen (T-Shirts mit lustigen Sprüchen drauf? Trägt die noch irgendjemand? Ja, einsame Heteromänner schon!). Supermärkte könnten Kooperationen mit Attila Hildmann eingehen, diesem gut aussehenden veganen Koch mit dem unvergleichlich maskulinen Namen. Einfach ein paar Attila-Poster über die Gemüseauslage hängen - das lockt die heißen Veganerinnen an und nimmt den Männern die Hemmungen, auch mal zur Pastinake zu greifen.
Eines fernen Tages wird sich herum gesprochen haben, dass man sich als veganer Mann vor veganen Frauen kaum retten kann. Irgendwann dreht sich das Verhältnis um und es mangelt wieder an veganen Frauen für all die zum Veganismus bekehrten Männer, woraufhin wieder mehr fleischessende Frauen zu Veganerinnen werden. Und immer so weiter. Der Veganismus wird zum Mainstream, nur noch Drittligavereine lassen sich von großen Industriehuhnmastbetrieben sponsorn, auf den Trikots von Werder Bremen und Bayern München prangen die Namen von Biosupermarktketten und veganen Brotaufstrich-Herstellern. Veganerinnen und Veganer werden mit ihren gesunden Körpern und ihrer überbordenden Libido lauter kleine Attilas zeugen und so auch unser demografisches Problem lösen. Die Rente ist wieder sicher, die Lämmchen springen fröhlich über die Weide, Milchviehbetriebe und Legebatterien werden zu Gnadenhöfen umfunktioniert.
Nur in konspirativen Kellerwurstküchen treffen sich dann noch ein paar letzte Fleischaficionados, um unter dem Schlachtruf »Fleisch ist Punk!« heimlich Gesichtswurst zu konsumieren.
Illustration: Eugenia Loli