Von all den unangenehmen Dingen, die man zur Anbahnung von Geschlechtsverkehr unternehmen muss (ein Mindestmaß an Körperhygiene betreiben, ein bisschen freundlich sein), scheint der Kauf von Kondomen für viele Menschen das Schwierigste. Laut einer Studie des Verbandes der privaten Krankenversicherungen ist es fast jedem fünften Erwachsenen unangenehm, im Supermarkt Kondome zu kaufen. Unter den 18- bis 24-Jährigen schämt sich mit 42 Prozent sogar fast die Hälfte beim Kondomkauf.
Das sind erstaunliche Zahlen, wenn man bedenkt, dass eine Packung Kondome auf dem Kassenband den Konsumenten sowohl als sexuell aktiven als auch als verantwortungsbewussten Bürger ausweist - durch und durch positive Eigenschaften. Und gerade die Jüngeren, die ja nun noch nicht so sehr im Verdacht der Untreue stehen wie - sagen wir - ein 40-jähriger dreifacher Familienvater, der vor der Dienstreise mit seiner sexy Sekretärin noch schnell ein paar Gummis besorgt, sollten doch eigentlich mit großer Selbstverständlichkeit und ohne jedes Schamgefühl Verhütungsmittel einkaufen.
Lange Zeit haben Kondomhersteller geglaubt, ein paar Gumminoppen oder ein bisschen Erdbeer- und Bananenaroma würden genügen, um ausreichend Präservative an den Mann und die Frau zu bringen - weit gefehlt. Es ist an der Zeit, das Kondom endgültig zu einem geachteten und begehrten Produkt für alle Altersklassen zu machen. Hier einige Strategien:
Gummi 3.0
Viel zu lange haben sich Kondome dem technischen und digitalen Fortschritt verweigert. Längst müssten zeitgemäße Präservative mit Sensoren ausgestattet sein, die automatisch Daten an die gängigen Fitness- und Gesundheits-Apps senden: Beständigkeit der Erektion, Kalorienverbrauch beim Geschlechtsverkehr, Qualität des aufgefangenen Ejakulats, mögliche Geschlechtskrankheiten. Gerade bei der gesundheitsorientierten Generation der Digital Natives könnte die gemeinsame datengestützte Analyse des Geschlechtsverkehrs am Smartphone die früher noch verbreitete »gemeinsame Zigarette danach« ersetzen.
Craft-Condoms
In Abgrenzung zu einer immer stärker technisierten und globalisierten Welt legen gerade reifere Konsumenten gesteigerten Wert auf echtes Handwerk und lokale Bezugsquellen. Bislang hat die »Craft«-Bewegung, die vom Bier bis zur Schuhbürste so ziemlich jedes Produkt zu romantisieren verstanden hat, das Präservativ eher vernachlässigt. Diese Marktlücke muss zwingend geschlossen werden: Präser aus fair gehandeltem Bio-Naturkautschuk, in Familienbetrieben mit viel Liebe handgefertigt, jedes Exemplar ein echtes Einzelstück - so könnte das Kondom auch der Generation »Manufactum« wieder näher gebracht werden und zu mehr Selbstbewusstsein beim Einkauf führen. Gegen Aufpreis gäbe es natürlich auch maßgefertigte Kondome mit Monogramm und Familienwappen.
Vögeln wie ein Superheld
Bei jedem großen Hollywood-Blockbuster werden die Supermärkte und Drogerien geflutet mit Lizenzprodukten: Spiderman-Shampoo, Harry Potter-Gesichtswurst, Minions-Spülmaschinentaps, Star-Wars-Trinkjoghurt. Unerklärlicherweise ist die Kondomindustrie noch nicht auf diesen Zug aufgesprungen, dabei liegen doch gerade im Zuge des Star-Wars-Hypes Lichtschwert-Kondome geradezu auf der Hand! Ein Lichteffekt in Rot oder Grün würde auch das Überziehen in völliger Dunkelheit erleichtern, Wortspiele rund um den Jedi-Claim »Möge die Macht mit Dir sein!« könnten Werbetexter zu Höchstleitungen antreiben. Selbst nach Ablauf ihres Haltbarkeitsdatums könnten Kondome mit Chewbacca oder R2D2 auf der Verpackung zu begehrten Sammlerstücken unter Fans und Aficionados werden.
Treue belohnen
Viele Kunden sammeln an der Supermarktkasse Treuepunkte oder Treueherzen und werden für ihre Treue mit verbilligten Rollkoffersets oder hässlichen Badehandtüchern belohnt. Warum nicht mit Kondomen? Gäbe es eine schönere Anerkennung für Treue als ein Versprechen auf »safer sex«? So müssten die Gummis auch nicht verschämt aufs Band gelegt werden, sondern würden den Kunden direkt und mit aufmunterndem Lächeln von der Supermarktkassiererin überreicht.
Würdige Testimonials
Wenn ein Weltstar wie Pele Werbung für Viagra machen kann, warum dann nicht unsere Nationalelf für Kondome? Die Spieler halten doch sonst auch für jeden Schmutz ihre Gesichter in die Kamera (Nuss-Nougat-Pampe, Billigburger, Knackwürste, Zuckerbrause). Wenn die führenden Kondomhersteller die Sponsoringgelder für waschechte Nationalspieler nicht aufbringen können, dann wäre dies doch eine gute Möglichkeit, mit einem der kurz vor dem Turnier noch verletzten oder nichtnominierten Spieler ins Gespräch zu kommen. Die sind billiger zu haben und dankbar für jede Gelegenheit, sich auch jenseits des Platzes als Gewinner zu vermarkten. Man stelle sich vor, der arme, unglückliche Marco Reus würde nun in Werbespots vor den Spielen und in den Halbzeitpausen mit seiner heißen Modelfreundin schon mal die dritte Halbzeit einläuten, während seine Kollegen noch in Frankreich schuften - das würde den Kondomabsatz mit Sicherheit steigern, Kondomkäufer mit stolz geschwellter Brust erst zur Kasse und dann zur Tat schreiten lassen und Marco Reus wäre bis in alle Zeiten nicht nur Fußball-, sonder auch Sex- und vor allem Gummigott. Dazu bräuchte er nicht mal einen Führerschein.
Illustration: Sammy Slabbinck