Mein Freund, der Baum

Wir stellen Ihnen jede Woche junge, talentierte Fotografen vor. Diesmal: Emina Hodzic und ihre Fotoserie über Günther Hamker, der seit 50 Jahren allein in einem Wald in Niedersachsen lebt.

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Name: Emina Hodzic
Geboren: 1982 in Bosnien-Herzegowina
Ausbildung: Kommunikationsdesign/Fotografie an der FH Hannover
Homepage: www.emina-hodzic.de

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Seit 50 Jahren lebt Günther Hamker, der Protagonist Ihrer Fotoserie, allein im Wald. Wie kam es dazu?
Das Waldstück hat er als 13-Jähriger von seinem Großvater geerbt. Während seiner Studentenzeit hat er sich dann dort hin geflüchtet. Er steckte damals in einer tiefen Lebenskrise. Es gab einen großen Krach mit seinem Vater, er flog durchs Medizinexamen. Es folgten Alkoholprobleme und mehrere Suizidversuche. Er betrachtete sein Leben als gescheitert und war entschlossen, es zu beenden. Er ist praktisch in das Haus gegangen, um sich dort tot zu trinken. Halb erfroren ist er aber in letzter Minute von einem Jäger gefunden worden und konnte gerettet werden. Er hat einen Entzug gemacht und sich entschieden, sein Leben im Wald fortzuführen, dort, wo er gerettet worden war.

Wie sieht sein Leben dort aus?
Er arbeitet wahnsinnig viel. Ständig ist irgend etwas kaputt, ständig baut er sein Haus weiter aus. Er hat ja alles selbst gebaut, hat sich ein Windrand zur Stromerzeugung konstruiert, über mehrere Kilometer eine Wasserleitung gelegt, die im Winter immer wieder zufriert. Ich denke, das ist es auch, was ihm geholfen hat. Zunächst die Einsamkeit und die Ruhe, die einen zwingt, sich mit sich selbst zu beschäftigen und sich seinen Gedanken zu stellen. Andererseits ist man aber auch zu harter körperlicher Arbeit gezwungen. Man muss die Sachen erledigen und kann nicht depressiv in der Ecke sitzen.

Wie tief im Wald ist sein Haus?
Das nächste Dorf ist ungefähr vier Kilometer weit weg.

Wie haben Sie ihn dann gefunden?
Mein Freund hat im Fernsehen einen kleinen Bericht über ihn gesehen und mir davon erzählt. Ich war sofort hellhörig. Ich hatte damals selbst eine schwierige Zeit und habe mich nach dem Rückzug in der Natur gesehnt, da lag es nahe, dass ich mich mit Günther Hamke auseinandersetze. Dass mein Freund diese Sendung gesehen hat, war ein Zufall, der wie gerufen kam. Ich habe dann ein wenig recherchiert und Hamke einfach angerufen.

Er hat Telefon?
Ja, klar. Er ist ja kein Wilder. Das war mir wichtig, ich wollte keine Geschichte über einen exotischen Spinner machen. Er telefoniert viel und hat auch Freunde, die ihn am Wochenende manchmal besuchen. Mittlerweile hat er auch ein Auto und fährt damit zum Einkaufen. Trotzdem ist er mit der Natur und dem Ort sehr verbunden und lebt dort sehr zurückgezogen. Dass war es, was mich gereizt hat.

Wie finanziert er sein Leben?
Zunächst lief das über den Holzhandel aus seinem Forst, das hat er ganz normal betrieben. Nach der Wende gingen die Holzpreise allerdings derart in den Keller, dass er sein Grundstück verkaufen musste. Er hat dort allerdings noch lebenslanges Wohnrecht.

Fotos: Emina Hodzic