SZ-Magazin: Für Ihr Projekt „Natura Morta“ haben Sie tote Tiere bestattet und mit Blumen geschmückt. Was wollen Sie damit ausdrücken?
Maria Ionova-Gribina: Auf diese Art verarbeite ich meine Kindheitserinnerungen und setze mich mit dem Tod auseinander. Das Projekt entstand in Schweden, wo ich jedes Jahr zwei Monate im Sommer verbringe. Dort fand ich diese toten Tiere, als ich mit dem Fahrrad ans Meer fuhr. Sie waren so ungeschützt und verwundbar. Wären sie noch ein, zwei Tage länger da gelegen, hätten Würmer sie aufgefressen. Ich suchte nach einer Möglichkeit, sie irgendwie zu bewahren, zumindest für die Kunst. Da erinnerte ich mich an eine Szene aus meiner Kindheit: Wenn mein Bruder und ich damals einen toten Maulwurf, einen Vogel oder Wurm fanden, haben wir ihn am Waldrand begraben. Die Gräber schmückten wir mit Blumen und Steinen. Ich weiß nicht mehr genau, warum wir das taten. Vielleicht aus kindlicher Neugier. Es war jedenfalls unsere erste Auseinandersetzung mit dem Tod.
Sind die Bilder ein Aufruf zu einem würdevolleren Umgang mit Tieren?
Ich hatte nicht die Absicht, eine Debatte über Grausamkeit gegenüber Tieren auszulösen. Ich wollte einfach dazu anregen, über den Tod nachzudenken und dadurch ein tieferes Verständnis der Welt und vom Verhältnis zwischen Mensch und Natur zu bekommen. Mein persönliches Verhältnis zu Tieren hat sich dadurch aber schon geändert: Ich esse seither kein Fleisch mehr.
Wie lange dauert es, so ein Foto zu arrangieren?
Für jedes Bild habe ich etwa zwei bis drei Stunden gebraucht. Die Blumen zu sammeln und auszulegen braucht beides ziemlich lang. Nach den Tieren habe ich nicht eigens gesucht, sondern alle zufällig gefunden. Darum hat das Projekt auch lange gedauert: Das erste Bild entstand 2010, und seitdem habe ich jeden Sommer zwei oder drei tote Tiere gefunden. Die Tiere starben alle eines natürlichen Todes oder wurden von Autos überfahren.
Wenn man tote Tiere am Straßenrand oder anderswo sieht, sind die ja meistens ziemlich schlimm zugerichtet. Haben Sie die Tiere irgendwie präpariert, vor dem Fotografieren?
Nein, die Tiere sind auf den Fotos so, wie ich sie gefunden habe. Die waren alle noch ganz. Alle sind erst kurz vorher gestorben. Manche waren noch warm.
Fotos: Maria Ionova-Gribina