Name: Miriam Klingl
Alter: geboren am 18.04.1994
Wohnort: Berlin
Website: www.miriam-klingl.de
Ausbildung: Ausbildung zur Fotodesignerin am Lette Verein Berlin; derzeit Ausbildung zur Bildredakteurin an der Osktreuzschule für Fotografie in Berlin
SZ-Magazin: In Ihrer Fotoserie »Harder Faster Stronger« haben Sie eine Bodybuilderin beim Wettkampf begleitet. Kann Bodybuilding auch eine Art Sucht sein?
Miriam Klingl: Ich denke, dieser Sport hat schon Suchtpotential. Eine gewisse Obsession braucht es auch, um das durchzuziehen. Mich haben die Bodybuilderinnen interessiert, weil ich ein eher unsportlicher Mensch bin und mich gefragt habe: Wer zum Teufel tut sich das an? Ich habe dann Réka, die Bodybuilderin auf meinen Fotos, bei der Vorbereitung für einen Wettkampf einen Monat lang begleitet, um es zu verstehen.
Wie kam Réka zum Bodybuilding?
Sie hatte sich von ihrem Freund getrennt und dann begonnen, viel Sport zu machen – eine Trotzreaktion. Dann wurde ein Trainer auf sie aufmerksam und sie begann mit den Wettkämpfen. Das wurde dann zum Selbstläufer: Sie hat das Gewinnen und den Erfolg genossen, den kurzen Ruhm auf der Bühne. Der Sport beanspruchte so viel Zeit, dass sie ihren Job als Architektin aufgab. Als ich Réka 2014 begleitet habe, war sie Fitness-Coach. Inzwischen führt sie einen Laden für Bodybuilding-Zubehör und trainiert andere für Wettkämpfe.
Der Sport nimmt also einen großen Teil ihres Lebens ein?
In der intensiven Wettkampfvorbereitung wurde das Leben um den Sport herum geplant. Morgens und abends Fitnessstudio, dann noch zum Coach, dort wurde das Posen geübt und bestimmte Muskelpartien trainiert. Die Woche vor dem Wettkampf essen die Bodybuilderinnen drei Tage lang nur Proteine, dann drei Tage nur Kohlenhydrate. Einen Tag vor dem Wettkampf darf man keine Flüssigkeit zu sich nehmen. Réka sieht ihren Körper als Baustelle und geht sehr sachlich mit ihm um: Wo sind Defizite, wie können sie behoben werden?
Wie haben Sie den Wettkampf erlebt?
Der Wettkampf in Niedersachsen, bei dem ich dabei war, war für mich wie ein Paralleluniversum. Wir waren dort in einer hässlichen Halle, in der wir Stunden vor dem eigentlichen Wettkampf angekommen sind. Die Umkleiden waren winzig. Die meisten Teilnehmerinnen lagen alle völlig dehydriert in dem kleinen Raum und schienen fertig mit den Nerven. Bei manchen habe ich mich gefragt, ob sie es überhaupt auf die Bühne schaffen. Die Stimmung war aber trotzdem sehr konzentriert. Jeder war mit sich selbst beschäftigt, die Frauen schminkten sich, wurden mit dieser typischen braunen Farbe eingeschmiert, letzte Posen wurden geübt. Es gab kein Gezicke unter den Frauen hinter der Bühne. Was aber total skurril war: Manche Frauen, vor allem die jüngeren, hatten ihren Vater oder Freund dabei, die sie wie ein Coach gepusht haben. »Du schaffst das! Durchhalten« – obwohl die Mädchen total am Ende waren. Réka hatte zwar Begleitung, für sie war der Wettkampf aber eine völlig autonome Entscheidung.
Ihre Protagonistin hat den Wettkampf gewonnen. Wie wichtig ist es für die Teilnehmerinnen, am Ende einen Pokal mit nach Hause zu nehmen?
Für Réka war das Gewinnen sehr wichtig. Als sie den Pokal in den Händen hielt, dachte ich, vielleicht ist sie jetzt ein bisschen gelöster. Dann war sie auch ungefähr fünf Minuten erleichtert, hat aber sofort wieder in den Wettkampfmodus geschaltet: Jetzt geht es weiter, jetzt wird wieder trainiert.
Was hat es eigentlich mit dem starken Schminken auf sich?
Das Einschmieren mit der braunen Farbe bewirkt einfach nur, dass die Muskeln im Scheinwerferlicht mehr hervortreten. Das starke Schminken ist wichtig für die Bewertung des Gesamteindrucks – nicht nur die Muskelmaske zählt, sondern auch, wie weiblich die Frau auf der Bühne wirkt. Wer aussieht wie ein Mann, bekommt Punktabzug.
Auf der Bühne wird ein Ideal gesucht, das die Bodybuilderinnen permanent versuchen zu erreichen. Sehen Sie das kritisch?
Die Bewertung auf der Bühne war gar nicht so schlimm. Ich fand es spannend, dass sich die Bodybuilderinnen eher gegen das klassische Schönheitsideal stellen und gerade dafür sachlich bewertet werden. Wenn ich anderen die Fotostrecke gezeigt habe, war die Reaktion oft: »Das ist ja unweiblich, wie kann man nur so aussehen?« Ich dachte mir: Ihr macht es damit nicht besser. Wer hat denn zu bestimmen, ob dieser Körper nun weiblich aussieht oder nicht?
Fotos: Miriam Klingl