Kim Jong-Un ist nun wirklich keiner, den man in Schutz nehmen müsste. Faselt etwas von Wiedervereinigung und baut gleichzeitig sein Atomwaffen-Arsenal aus. Sein Volk hungert, er will die Strände Nordkoreas als Surferparadies vermarkten lassen. Und wenn er in Ungnade gefallene Generäle von Flugabwehrraketen zerfetzen lässt, dann weiß man nicht: Guckt er sich solche Sachen von James-Bond-Bösewichten ab? Oder klauen die Drehbuchschreiber von 007 bei ihm?
Kim Jong Un verantwortet aber nicht nur die Hölle auf Erden, sondern auch im Himmel. Meint zumindest »Skytrax«. Der Luftverkehrsverband hat die nordkoreanische Staatsairline zum vierten Mal in Folge zur schlechtesten Airline der Welt gekürt.
Air Koryo, so die Tester, stehe für: Flugzeuge aus der Pionierzeit der Luftfahrt und Personal, das kein Englisch spricht. Stewardessen, die sich lieber um ihr Make-Up als darum kümmern, ob Passagiere angeschnallt und elektronische Geräte ausgeschaltet sind. Propagandavideos in Endlosschleife anstelle von Multimedia-Boxen mit den neusten Filmen und Serien. Und dann werde auch noch bestenfalls Undefinierbares auf den Essentabletts serviert, um die Passagiere schon mal auf das Grau in Grau vorzubereiten, das sie nach der Landung in Pjöngjang erwarten wird.
Genau hier muss ich nun kurz einhaken und »Stopp!« rufen, auch wenn ich eingangs schrieb, dass Kim Jong-Un keiner sei, den man in Schutz nehmen müsse. Aber dass die arme Air Koryo die schlechteste Airline der Welt sein soll, das fällt meiner Meinung nach ins Reich der Fabel.
Die schlechteste Airline der Welt nämlich, das weiß ich durch eigene Anschauung, heißt East Horizon Airlines. Sie fliegt in einem ähnlich pittoresken Land wie Nordkorea, nämlich Afghanistan. East Horizon bietet genau wie Air Koryo den Freunden von Flug-Oldtimern etwas, mit Personal, das kein Englisch spricht, schlechtem Catering oder drögen Unterhaltungsprogrammen kann die Airline hingegen keine Minuspunkte einfahren. All das gibt es bei ihr gar nicht.
East Horizon verfügt über genau eine Maschine, sie fliegt von der Hauptstadt Kabul aus acht Provinzstädte an, unter anderem Bamiyan, wo einst die berühmten Buddha-Statuen standen. Dort stand auch einmal ich und wollte nach einer Woche Reportage-Arbeit am Hindukusch nach Hause. Das wollten auch noch ein paar andere, die kleine Propellermaschine war ausgebucht.
Und obwohl sie da schon auf der Schotterpiste des Flugplatzes stand, richtig herum und die Nase im Wind, passierte erst einmal gar nichts, das aber dafür gleich drei Stunden lang. Dann fuhr ein Jeep vor, aus dem bewaffnete Männer stiegen. Sie umringten einen Mann, dessen enganliegender Anzug mit Metallic-Schimmer in der Sonne noch mehr glänzte als das Gel in seinen Haaren.
Die meisten Passagiere durften nun in das Flugzeug, nur ein paar nicht, trotz bezahlter Tickets. Die Anzahl der Tickets, die nun auf wundersame Weise ungültig wurden, stimmte zufälligerweise genau mit der Anzahl der Männer mit den Waffen plus dem Glitzeranzug überein. »Das ist der Besitzer der Airline«, sagte der Mann, der in einem alten Container einen Kiosk betrieb, als die Maschine über unseren Köpfen Richtung Kabul hinwegbrauste, »der hat heute einen Ausflug gemacht. Ihr könnt ja das nächste Flugzeug nehmen, das kommt in einer oder zwei Wochen.«
Wir haben dann doch lieber einen Minibus zurück nach Kabul genommen, mit alten Decken und albernen Turbanen lustig als Afghanen verkleidet. So hätten wir den Überraschungsmoment und die anschließenden Lachkrämpfe zur Flucht nutzen können, wenn uns jemand angehalten hätte. Einige Gebiete entlang der Straße kontrollierten nämlich die Taliban, ihre Gastfreundschaft Westlern gegenüber war so berühmt, dass der Verkehrsweg den schönen Beinamen »Road of Death« trug.
Die Erleichterung nach der Ankunft in Kabul war groß. Derart groß, dass ich wirklich mit Sicherheit sagen kann: So schlimm wie ein Flug mit East Horizon, den man nicht mal antreten darf, so schlimm kann Kim Jong-Uns Airline gar nicht sein. Alles nur imperialistische Propaganda.
Foto: Gettyimages / Fhil Navarro