Wenigstens am Ende seines Lebens sollte der Pizzaburger einmal Italien sehen. Darum hab ich ihn mitgenommen in den ohnehin geplanten Kurzurlaub, tiefgefroren in einer Kühltasche, umgeben von Kühlpacks, damit er die Fahrt überlebt. Wir überquerten den Brenner, der Burger und ich, fuhren durch Südtirol, am Gardasee vorbei, dann an Verona, weiter Richtung Parma und Bologna, Straßenschilder, die klingen wie Speisekarten. Von der Autostrada fuhren wir ab, einige kurvige Bergstraßen hinab zum Meer.
Nur kurz zeigte ich dem entpackten Pizzaburger den Strand und eine echte Pizzeria am Weg, dann - die Kühlkette! - ging es schnell in die Ferienwohnung, in den Ofen dort, bei 200 Grad. Die 10 Minuten Wartezeit nutzte ich, um mir gegenüber ein Stück hausgemachte Focaccia zu holen, eine ligurische Spezialität, der Pizza sehr ähnlich, zur Wahl standen verschiedene Beläge wie Büffelmozzarella, Oliven, Sardellen, Tomaten, Parmesan. Mir tat der Pizzaburger leid, wie soll er da mithalten? Er wird am Fließband mit einer Käsemischung aus Edamer und Cheddar belegt.
Er sieht auch gebacken nicht sehr einladend aus und ist kleiner als gedacht, zwei Burger in je zwei Hälften verpackt stecken in dem Karton. Ich ließ ihn noch kurz abkühlen. Was hat der Pizzateig nicht alles schon ertragen müssen, seit er einst über die Alpen nach Deutschland gekommen ist: Wir haben ihn mit Ananas belegt, mit gepresstem Kochschinken, Dosenchampignons. In einer Pizzeria nahe des SZ-Hochhauses kann man Pizza mit Bratwurst und Pommes drauf bestellen, ich habe es mit eigenen Augen gesehen. Dr. Oetker bietet etwa die Fertigpizza mit Nudeln drauf (Pizza Pasta), mit Gyros und Tzaziki (Greek Style) und mit Hot Dog, Gurken und Senf drauf (Americana).
Und jedes Mal, wenn man sich bei Dr. Oetker neue verrückte Varianten überlegt, stirbt in Neapel ein alter Pizzabäcker, ich bin mir sicher. Dort macht man die beste Pizza der Welt und braucht dafür nur Teig, Tomatensoße, Fior di Latte - und Wasser aus Neapel, nur damit lässt sich der perfekte Pizzateig kneten, sagen Experten. Wenige, dafür sehr hochwertige Zutaten, nicht überladen mit Zutaten, darum geht es.
Ein erster Biss: Der Pizzaburger-Teig ist weicher und knuspriger als gedacht. Wäre das nicht schön, denkt man kurz, statt dem erwartbaren Verriss ein unerwartetes Loblied schreiben zu können! Zu schwärmen, wie toll erschmeckt, wie klug die Idee ist, Pizza und Burger zu kombinieren, »den Geschmack einer Pizza mit dem Handling eines Burgers«, wie die Werbung es beschreibt. Ein zweiter Biss, hinein in die... leider eben doch lieblose Tomatensoße, den Fabrikkäse. Matschiger Belag vermischt sich im Mund mit zu viel Teig.Es gab schon schlimmere Selbstversuch in der Geschichte von "Probier doch mal", der vergammelte Fisch von Max Fellmann oder der Ameisenpotropfen von Hans Gerlach - trotzdem: den Pizzaburger isst man nur aus Pflichtgefühl auf.
Ab dem dritten Bissen versteht man auch, warum die Werbespots von Dr. Oetker zur Sportschau laufen, vor allem Männer ansprechen sollen und so klingen: »Für alle, die lieber trinken als trainieren, für die Salat nur Tischdeko ist, Fingerfood für die Fäuste!« So neandertalermäßig fühlt man sich auch im Supermarkt, wenn man den Pizzaburger aufs Fließband legt. Eine junge Frau, die viel Obst und Gemüse und frische Kräuter kaufte, blickte mich an. Ich habe noch zwei Alibiäpfel dazugelegt, trotzdem hätte ich gerne über die Lautsprecheranlage des Supermarktes ausrufen lassen: »Es ist nur ein Testessen!«Man hat den Pizzaburger recht schnell aufgegessen, damit zum Positiven, und er braucht nur zehn Minuten im Ofen. Vielleicht hilft das Fett darin gegen den Kater, wenn man ihn nach dem Ausgehen nachts isst?
Am Ende möchte man sich trotzdem entschuldigen, bei den Italienern - und bei den Amerikanern gleich mit. Wir haben eure Nationalgerichte verunstaltet. Ich verspreche, wenn das nächste Mal ein Tourist neben mir Ketchup zur Weißwurst bestellt, werde ich ihn nur anlächeln und sagen: »Good appetite!«