Auf welchen Blick fallen Sie zu oft herein?

Die Kunstfigur und Schriftsteller*in Kim de l’Horizon im Interview ohne Worte über Hexerei, zehn schwierige Jahre und das Leben auf einem anderen Planeten.

Geboren (nach Selbstauskunft der Figur Kim): 2666 auf Gethen
Beruf: Schriftsteller*in
Status: Aufsteigend

Sich zu finden kann auch heißen, sich zu erfinden – bei Kim de l’Horizon war es jedenfalls so. Eigentlich im Jahr 1992 bei Bern geboren, kommt die öffentliche Kunstfigur aus ferner Zukunft von einem Science-Fiction-Planeten namens Gethen. Erst einmal auf der Erde gelandet, erregen Außerirdische bekanntlich viel Aufmerksamkeit. Bei Kim de l’Horizon hat das zwei Gründe: ein unbändiges literarisches Talent, nachzulesen im Debütroman Blutbuch, der mit dem Deutschen und dem Schweizer Buchpreis ausgezeichnet wurde. ­Darin spürt die Erzählfigur der eigenen Familie nach und ertastet sich eine Sprache für queere Identität. Zum anderen ist Kim de l’Horizon selbst ein Mensch, der sich weder als Frau noch als Mann definiert, bei Dankesreden laut drauflossingt und sich ­aus Solidarität mit den Frauen im Iran den Kopf rasiert. Jetzt kann man natürlich fragen, wer davon mehr profitiert hat, der Roman oder die Iranerinnen, aber eines geht nicht: dass Kim de l’Horizon für solche Aktionen mit Hassmails und Drohungen überschüttet wird. Auf der Frankfurter Buchmesse musste deshalb eigens Sicherheits­personal beschäftigt werden. Kim de l’Horizon reagiert versöhnlich: Mehr Empathie sei das Ziel. Und weniger Angst vor der unbekannten Freiheit, sein zu können, wer oder was »mensch« will.