Wie frauenfeindlich ist der klassische Musikbetrieb?

Die Komponistin Olga Neuwirth im Interview ohne Worte über die Geste, an der man sie sofort erkennt, ihre Heimat Österreich und die Frage, ob es etwas Aufregenderes als Klassik gibt.

Geboren: 4. August 1968 in Graz
Beruf: Komponistin
Ausbildung: Kompositionsstudium an der Wiener Universität für Musik und darstellende Kunst
Status: Eigensinnig

Olga Neuwirth. Vielleicht haben Sie ihren Namen nie gehört und ihr Gesicht nie gesehen, doch am 2. Juni wird sie in München einen großen Preis entgegennehmen, den Ernst von Siemens Musikpreis. Neuwirth, die in jungen Jahren Punk war und in einer Band spielte, wollte ein weiblicher Miles Davis werden, doch bei einem Auto­unfall brach ihr Kiefer, sie konnte nicht mehr professionell Trompete spielen. So wurde sie eine Virginia Woolf der Musik, das kann man sagen, nicht umsonst heißt die Oper, die 2019 an der Wiener Staatsoper urauf­geführt wurde, Orlando. »Ich versuche seit 30 Jahren, seitdem ich kompo­niere, einen androgynen Klang zu schaffen«, sagte sie nach der Pre­miere, es war übrigens die erste Oper einer Frau in 150 Jahren Wiener Staatsoper. »Ein Kompendium zwischen dem Banalen und dem Sublimen« nannte sie ihr Werk, das Publikum solle nie wissen, woher ein Ton komme, ob seine Quelle ein traditionelles Instru­ment oder Elektronik sei. Als alter Punk begehrt Olga Neuwirth grundsätzlich auf, gegen das Vorhersehbare und Einengende, gegen das patriar­chale System der Oper, gegen Harmonie und Melodie. Elfriede Jelinek gehört zu ihrem Freundeskreis, deren Texte vertonte sie zu Mini-Opern, und es ist auch kein Zufall, dass Neuwirth Lost Highway für die Oper adaptierte, den Film des ewigen Punks David Lynch.