Wie schalten Sie ab, Melanie Brinkmann?

Die Virologin im Interview ohne Worte über Angst, Umarmungen, Selbstironie, den Humor der Norddeutschen und die Vorzüge einer Welt ohne Talkshows.

Geboren: 6. Januar 1974 in Neustadt am Rübenberge
Beruf: Virologin
Ausbildung: Promotion in Biologie an der Universität Hannover  Status: Ein Virus kommt selten allein

Am 1. April 2021 saß Melanie Brinkmann im knallroten T-Shirt bei Markus Lanz in der Sendung und sagte, dass uns die Pandemie noch das ganze Jahr über begleiten würde. Dass fünfzig Prozent Geimpfte nicht reichen würden, um sie abzubremsen. Dass sie gern unrecht hätte, weil sie eigentlich keine Lust mehr habe, in Talkshows zu sitzen. Und dann erwies sich die Virologin, die man vor der Pandemie so wenig kannte wie ihre Kollegen Drosten, Ciesek, Streeck, als Talkshowgast, den man nicht missen möchte. Kampfeslustig fuhr sie zuerst dem Gastgeber Lanz über den Mund – »Ich rede jetzt« und »Eigentlich brauchen wir Sie nicht« –, dann dem FDP-Politiker Wolfgang Kubicki, der links von ihr saß: »Jetzt Sie nicht auch noch von links.« Und obwohl man eigentlich nicht hören möchte, was sie sagt, weil es so wahr und so deprimierend ist (»Die Mutante aus Groß­britannien und andere werden uns überrennen«, »Die Variante Delta, die vor allem in Indien aufgetreten ist, macht mir Sorgen«), hört man sie gern reden. Brinkmann erforscht vorrangig Herpesviren am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig, seit 2020 gehört sie zum Beraterstab der Bundesregierung in Sachen ­ Corona. Seitdem öffnet sie ihre Post nur ungern, zu oft sind Beschimpfungen und sogar Morddrohungen dabei.