Bis heute steht in meinem Küchenschrank eine Packung gelbes Gewürz. Curry oder Kurkuma, ich kann die Schriftzeichen nicht lesen. Sie gehörte dem Inder, der einige Monate in unserem Familienzuhause lebte, bis Jan und ich es leer räumten. Außerdem hinterließ er einen Wäschekorb voller Schnapsflaschen, die habe ich nicht aufgehoben, sie waren leer. Heute weiß ich, wenn man bereits geöffnete Gewürztüten fremder Menschen einpackt, hat man den Überblick verloren. Aber wer schafft es schon, geordnet ein Zuhause aufzulösen?
Ich habe einen Untermieter gefunden, hatte Jan gesagt, der über Nacht mit den Kindern zu Anna gezogen war und nicht doppelt Miete zahlen wollte. Wer ist eingezogen? fragte ich hilflos. Ein Inder, antwortete Jan, er heißt Sankalp und wird auf Lyra aufpassen, in Annas Haus sind keine Hunde erlaubt. Immerhin, dachte ich, wird der Inder Englisch mit Lyra reden. Und dann dachte ich ein bisschen darüber nach, dass Sankalp, den ich noch nie gesehen hatte, jetzt in meiner Bettwäsche schläft. Aus unseren Gläsern trinkt. Nach wenigen Wochen wohnte auch Sankalps Freund in unserer Wohnung. Dann zog Brice ein, ein langer Schlacks aus Paris. Er hatte eine Sporttasche und seine Freundin dabei.
Als Jan mir davon erzählte, entschied ich mich, vorbeizuschauen, um Großmutters Porzellan einzupacken. Ein Notfallgedanke, ich wollte retten, Dinge zumindest, der Rest war mir entglitten. Jan und ich verabredeten uns mit den Untermietern. Aber als wir klingelten, öffnete niemand. Die schlafen tagsüber, sagte er und schloss auf. Ich nickte, als sei das selbstverständlich, ich wollte ja nur in die Küche. Und dort standen wir zwischen den verkrusteten Töpfen meiner Schwiegermutter, Stapeln dreckiger Teller, auf der Terrasse die schwere Pfanne, verbrannt.
Nein, unsere Töchter würden dieses Zuhause, das sich nicht auflöst, sondern zerfleddert, nicht mehr sehen. Sie würden sich nicht verabschieden können von ihren Zimmern. Wir tauschten Eheringe, Jan mochte plötzlich das Stückchen Gold zurück, in das sein Name eingraviert war. Und weil das alles kaum auszuhalten war, klammerte ich mich an der Erkenntnis fest, dass Jans Finger größer waren als meine, dass ich also mehr Gold aus dieser Ehe mitnehmen würde als er. Dabei war ich immer gegen diese Ringe. Ich suchte Großmutters Teeservice.
Das gelbe Pulver ist das Letzte, was ich einpacke, Monate später. Lampen, Stühle, Schränke – alles ist verteilt. Auch Lyra. Sie ist bei Anna eingezogen, dem Vermieterverbot zum Trotz. Brice hilft beim Auszug. Er muss nur erst noch aufstehen, seine Tasche einräumen, das Bett zerlegen und seinen Kumpel anrufen, bei dem er einziehen will.
Neben mir sagt die Putzfrau meiner Freundin Hanna, die mir hilft, ein letztes Mal sauberzumachen: So eine schöne Wohnung... musstest du ausziehen? Ja, sage ich.
Illustration: Grace Helmer