Treffen wir uns, schlage ich vor, damit wir dieses Fest besprechen. Was wollen wir kochen? Schenken wir uns etwas? Zum ersten Mal werden wir Weihnachten zusammen feiern, die Kinder, Jan und Anna, ihr Ex-Mann Hans und ich. Wir werden zu acht um den Baum sitzen. Paul ist verreist, Paul, mit dem meine Töchter und ich im vergangenem Jahr gefeiert haben, die Erinnerung daran wie ein Märchen von früher. Es ist acht Uhr morgens, als wir in meiner Küche über gefüllte Forellen und Truthähne sprechen. Jan denkt laut darüber nach, wie man das Weihnachtszimmer gestalten könnte und Hans gibt Tipps, er kennt die Wohnung. Später wird er sagen, dass es sicher Beziehungsmuster gibt, die bleiben, und Anna wird ihm ungeduldig widersprechen. Wie wir sind, wie wir waren, das reichen wir uns über den Tisch wie Butter und Käse. Und als uns nach einer Stunde nichts mehr einfällt, gehen wir auseinander.
Seitdem bin ich unruhig. Verwerfe Geschenkideen. Fühle mich verantwortlich für alles und dann wieder für nichts. Gast werde ich sein bei Jan und Anna, aber eben nicht wirklich. Ich gehöre dazu, aber so fühlt es sich nicht an, als ich, meine einzige offizielle Aufgabe, den Truthahn bestellen soll. Beim Geflügelmayer auf dem Viktualienmarkt. Ich habe in meinem Leben einige Menschen gefunden und zum Reden gebracht. Den Geflügelmayer finde ich nicht. Am Ende bestellt Anna den Truthahn beim Händler, der König und nicht Mayer heißt, eine lächerliche Hürde, was ist bloß los?
Ich mache mich schmal, will niemanden anstrengen. Wir ihr wollt, denke und sage ich oft und weiß nicht, was ich will. Teilen wir die Kosten, habe ich an meinem Küchentisch vorgeschlagen, es ist mir wichtig, ich will kein Gast sein. Schenken wir uns nichts, auch das habe ich gesagt und in Annas Gesicht gelesen, dass ihr das nicht recht ist. Ich möchte sie nicht enttäuschen. Ihr ästhetisches Empfinden nicht beleidigen. Den Frieden sichern. Und während ich suchend durch die Läden laufe, erinnere ich mich daran, dass ich eine Patchworkfamilie habe, die ich mir gar nicht ausgesucht habe.
Aber, denke ich, ist es vielleicht nur der Vorweihnachtsstress, den ich nun anderen anlasten möchte? Schau mal, sagt eine Freundin, deine Wohnung wird nicht dreckig. Wir lachen. Stimmt, in der heiligen Nacht werde ich irgendwann nach Hause fahren und sofort das Buch lesen können, das ich vielleicht geschenkt bekommen habe. Am nächsten Tag wird meine Mutter anreisen. Wir werden Zeit zu zweit verbringen am ersten Weihnachtstag. Gab es das überhaupt schon einmal? Ich glaube nicht. Wenn ich es schaffe leicht zu bleiben, werde ich nichts missen, nicht Familienwärme, nicht meine Kinder, nicht die Momente der Ruhe, die ich mir oft gewünscht habe. Und während ich das schreibe, fühle ich mich mindestens so reich wie ein Geflügelkönig.
Illustration: Grace Helmer