Sonntagabend, ein Anruf von Martha. Sie laviert um einen Wunsch herum, den ich nicht ablehnen soll: »Kann ich eine Nacht länger bei Papa bleiben? Marie und ich haben etwas vor.« - »Was habt ihr vor?«, frage ich. Geheim, antwortet Martha. Ich denke nach. Morgen ist Montagswechsel. Ich habe mich auf die Kinder gefreut und ein Geheimnis als Hinderungsgrund überzeugt mich nicht. »Bitte, Mama«, fleht Martha. »Besser, wir halten uns an Verabredungen«, sage ich und versuche herauszuhören, ob mein »Nein« sie beschwert oder erleichtert. »Gib mir mal Papa«, bitte ich sie.
»Wenn dir das nicht recht ist«, sagt Jan, »dann gebe ich das so weiter«. Ich rechtfertige mich. Rede von Regeln, die wir einhalten sollten, um nicht in die Beliebigkeit abzurutschen. »Ja«, sagt Jan, »ist gut, kriegen wir hin«. Mir ist unwohl. Ich muss an meinen Vater denken, dessen Verbote manchmal wie auf Stelzen daherkamen. Die Regeln sollten seine Autorität schützen. Eine familiäre Einheit, die es zwischen meinen getrennten Eltern nicht wirklich gab.
Ich erinnere, wie er mich gegen meinen Willen nach Hause fuhr. Zwei Stunden Autofahrt in der Dunkelheit, schweigend. Ich war 14 und eben von meinem Vater zu meiner Mutter gezogen. Einmal im Monat sollte ich meinen Vater besuchen, so war der Plan. Nicht öfter, um mich besser einzugewöhnen. Diese Wochenenden konnte ich kaum erwarten. Mein altes Heimatdorf, ehemalige Klassenkameraden. Ohne ihm etwas zu sagen hatte ich einen Zug früher genommen, um eine Freundin zu treffen. Er fühlte sich hintergangen. Fürchtete, die Kontrolle zu verlieren. Er diskutierte nicht. Er fuhr mich einfach zurück. Zuhause verschwand ich in meinem Zimmer, während mein Vater bei meiner Mutter in der Küche saß. Sie hatten die Aktion abgesprochen und waren sich einig, richtig gehandelt zu haben. Sie bestätigten sich gegenseitig.
Tief empfundenes Unrecht bis heute. Ich sehe ihren Versuch zu ordnen. Ihr Ringen um verbindliche Absprachen zwischen zwei Haushalten, die unterschiedlicher nicht hätten sein können. Ihre Strafe war unverhältnismäßig, weil es kein gemeinsames Verhältnis gab, auf das sie sich hätten beziehen können. Ihre Einigkeit nur eine Behauptung. Aber auch mir scheint es schwer, angemessen zu handeln, wenn man nur mehr Kinder, nicht aber das Leben teilt.
Kein weiterer Anruf von Martha, am Montagabend zwei hüpfende Mädchen im Flur. »Warum seid ihr so wild?«, frage ich. »Weil wir gute Laune haben«, die Antwort. Martha und Marie haben ihre Zimmer zusammengelegt, das war das Geheimnis, erklärt Martha. Deshalb wollte sie noch eine Nacht bei Jan und Anna bleiben. »Aber das war gestern, Mama, hast du mein Aufladekabel gesehen?«
Illustration: Grace Helmer