Frauen mit roten Lippen, Männer mit Bärten, halbstarke Kinder in Leggings und Chucks - wir fallen auf, als wir beim Trödler einfallen und zwischen verstaubten Regalen nach Schnäppchen suchen. Ich habe mich Jan und Anna angeschlossen, Landpartie mit großer Familie, sogar Annas Cousin und eine Freundin sind dabei. Es ist Samstagvormittag, und wir sind lässig, weil müde. Jemand spricht von Konterbier, gute Idee, finden alle. Aber erst mal jagen wir Gläser, Vasen, Spiegel.
An der Kasse werden wir kompliziert. Natürlich gehören wir zusammen. Aber nicht finanziell. Das Mütterchen hat alles auf eine Rechnung gesetzt, und ich will klären, was ich bezahlen soll. Ein bisschen zu hastig nehme ich ihren Zettel und addiere. Jan steht neben mir. Er gehört jetzt zu der anderen Familie, die auch ein Teil meiner Familie ist. In Ratgebern werden wir Patchwork genannt. Oder als modern bezeichnet. Wir machen es, das steht fest, viel besser als unsere Eltern. Wir sind befreundet und teilen so viel Leben wie möglich.
Und einen ähnlichen Geschmack. Im Möbellager sagt Anna: Diese Schränke für die Schuhe im Flur? Jan überlegt eine Weile, sie wägen ab. Messen aus. Sie sind wie wir waren. Ich entdecke eine Kommode, die in Marthas Zimmer passen könnte. In meine Wohnung. Und weil alles so vertraut scheint, frage ich Jan: Was meinst du? Er schaut, aber da sehe ich, er ist erschöpft. Und ich erinnere mich, dass ich mich alleine entscheiden muss. Dass wir zwar zusammengehören, es aber neue, interfamiliäre Grenzen gibt. Keine Familie, auch nicht Patchwork kommt ohne Grenzen aus. Wollen Jan und ich uns nah bleiben, sind wir gezwungen sie zu akzeptieren. Auch wenn sie mich jedes Mal auf mich selbst zurückwerfen.
Irre, diese Sonne da draußen, es soll jetzt weitergehen. Jan fährt uns zu einem Hoffest in der Nähe. Anna sitzt neben ihm, ich hinten zwischen Kindern, mich selbst wie eines fühlend. Auf Bierbänken vor Ställen noch mehr Männer mit Bärten und dunkelverglaste Frauen, Städter wie wir, die Bärlauchsuppe essen und Lammsbräu trinken, Kinder zwischen den Knien. Mir fällt ein, dass Jan und ich auch auf Hoffesten waren, als unsere Töchter klein waren, nur hatte Jan keinen Bart und wir kein Auto. Ich gehe spazieren. Ich denke daran, dass manche Menschen, die um den Block gehen wollen nie mehr wiederkommen, und dass ich aber zurückkehren werde, weil ich diese Patchworkfamilie will, auch wenn sie anstrengend ist. Sie tauscht neue Verantwortlichkeiten gegen alte und zwingt mich Abschied zu nehmen. Sie überschreibt, weil sie lebendig ist, gestaltet werden muss.
Ob wir uns übernehmen? Nach diesen Ausflügen starre ich vor mich hin, sortiere sinnlos Dinge. Ob Patchwork sich irgendwann so normal anfühlt wie diese eine Familie, die halt jeder hat? Einen Versuch ist es wert.
Illustration: Grace Helmer