Oops, sie tut es immer noch

Britney Spears landete mit einem alten Album auf Platz 1 der Charts. Zum Dank überraschte sie ihre Fans mit einem Cover, das zur Corona-Krise passt. Warum hat die Sängerin, die sich lange dem Zeitgeist verweigerte, plötzlich so ein gutes Gespür für Trends?

In Ketten gelegt und kein Mensch weit und breit – ein Bild voller Corona-Anspielungen?

Foto: Instagram

Dieses Bild haut einen gleich in mehrfacher Hinsicht um. Nicht wegen des goldenen Gedöns, in der Fachsprache Monokini genannt, das hier ein bisschen wie Bleigießen unter brutzelnder Wüstensonne rüberkommt. Sondern zunächst einmal, weil es sich hier um ein aufwendiges Hochglanzbild handelt, das Britney Spears mal eben mitten im Lockdown rausgehauen hat. Ein neues Cover für ihr letztes Album »Glory« als Dank an die treuen Fans, die – aus purer Langeweile, muss man wohl sagen – das vier Jahre alte, wahlweise total unterschätzte oder total überschätzte Werk Anfang Mai auf Platz 1 der iTunes-Charts hievten.

Ein professionell produziertes Promi-Bild! Das ist man ja gar nicht mehr gewohnt, seit in den letzten Wochen nur noch Heimarbeit gepostet wird. Justin Bieber und Ariana Grande haben ein ganzes Musikvideo mit Wackelvideos produziert, selbst der Laufsteg kam zuletzt aus dem Wohnzimmer. Aber bei Britney Spears wackelt nichts, und auch inhaltlich sitzt alles: Eine Frau, allein, angekettet mitten im Nichts, durchtrainiert bis unter die Zehennägel, »all dressed up« (wie all die anderen angeleinten Promis da draußen) und doch kann sie nirgendwohin – lassen sich mehr Corona-Metaphern in ein einzelnes Foto verfrachten?

Natürlich stellt sich das Bild nach kurzer Recherche als doch nicht neu heraus, sondern als eines der ursprünglich für das Album produzierten Varianten des Starfotografen David LaChapelle, am Ende entschied man sich für eine sehr viel braveres Cover. Aber dass Spears ausgerechnet dieses Bild jetzt wieder hervorkramt, zeugt von einem Zeitgespür, das man gerade dieser Frau am wenigsten zugetraut hätte.

Denn eigentlich ist Britney Spears der wandelnde Anachronismus. Eine Autorin des New Yorker schrieb zu besagtem Album, ihr falle kein anderer Popstar ein, der sich so vehement dem Zeitgeist verweigere, bei Spears klinge es einfach immer wie im Jahr 2000. Ziemlich genau zwanzig Jahre ist es jetzt her, dass ihr Smash-Hit »Oops, I did it again« erschien und sich dieser Ausruf fortan zum Leitmotiv des Popsternchens entwickelte: Drogen, Glatze, Therapie, Scheidung, Entmündigung, alles ziemlich oops.

Doch ausgerechnet jetzt scheint die 38-Jährige zur Form ihres Lebens aufzulaufen. Spears war immer schlechter angezogen als ihr Kontostand es eigentlich zulassen dürfte. In der Quarantäne trägt sie jetzt einfach nur noch ihre geliebten Crop-Tops mit Blumenprint und Puffärmeln, Choker und Hotpants dazu. Die wirklich spannende Frage bei dieser Frau ist längst nicht mehr, was jetzt eigentlich mit dieser Vormundschaft los ist, sondern wo um alles in der Welt man im Jahr 2020 diese Oberteile herbekommt.

Spears jedenfalls scheint darin ihre Wohlfühl-Uniform gefunden zu haben. Oder ihr Bauchnabelbereich reagiert einfach nur seit Teenagertagen hochallergisch gegen jede Art von Stoff.

Ihr ideales Medium hat sie ebenfalls entdeckt. Die Sängerin tritt schon seit längerem nicht auf, vielleicht wird sie es sogar nie mehr tun, vergangenen Oktober sagte sie ein erneutes Las-Vegas-Engagement kurzfristig ab. Dafür nutzt sie jetzt Instagram als Bühne für dada-eske Botschaften, Kalender-Sinnsprüche und Nonsens aller Art mit sehr vielen Ausrufezeichen und Blumen-Emojis. Die Faszination davon liegt irgendwo zwischen Big Brother (eine der besseren Staffeln) und Montagsmaler, also zwischen Exhibitionismus und kindlicher Naivität. Im Grunde auch schon wieder die Geschichte ihres Lebens.

Ihre Fans jedenfalls lieben sie wie eh und je oder: wie im Jahr 2000. Im Pop-up »Britney Spears the Zone« in Los Angeles zahlten Besucher kürzlich 60 Dollar Eintritt, um in einer von zehn nachgestellten Britney-Kulissen Selfies und Instagram-Stories filmen zu können. Darunter natürlich das Klassenzimmer aus dem Video »Baby one more time«, ihrem allerersten Hit.

Auch dieses Werk bekam neulich übrigens eine Art Update: Zum Weltgesundheitstag Anfang April postete Spears einen Cartoon mit ihrem Schulmädchenlook aus dem Song, Desinfektionsspray in der Hand, und statt der Textzeile »my loneliness is killing me« nun »my loneliness is saving me.« Britney, brillant.

Typischer Instagram-Kommentar: »Ist das nicht das bessere Cover zu ›I’m A Slave 4 U?‹« 
Das sagt der Fitness-Coach: »Ok, jetzt Sit-ups - one more time!«
Das sagt die Stylistin: »Deine Taille musst du betonen, das ist quasi deine Schokoladenseite.«