Aus Streetstyle wird Sofastyle

Prominente wie die Fußballikone Andrea Pirlo und das Model Emily Ratajkowski zeigen sich nur noch in Jogginghosen. Die Outfits mussten sie vermutlich nicht erst bestellen, denn die Mode war ironischerweise schon für den Lockdown gerüstet.

Die Zeiten des Minikleids sind vorbei: Selbst für das Model Emily Ratajkowski.

Foto: Instagram

Die modische Erkenntnis dieser Tage: Streetstyle is dead. Kein Mensch fotografiert sich mehr für Instagram auf der Straße, selbst die nicht, die tatsächlich noch vor die Tür gehen. Lieber posten die Leute Bilder aus glücklichen Tagen, an denen man sich noch eng umschlungen zusammen auf Selfies quetschte, schamlos am Strand rumlungerte oder gerade die neue XXL-Designertasche mit 40-Liter-Fassungsvermögen ausführte, die jetzt erst mal für unbestimmte Zeit auf Wiedervorlage wandert. Für Hamsterkäufe wären diese Modelle zwar eigentlich ideal, aber natürlich viel zu schade.

Außerdem werden immer mehr Bilder von der häuslichen Quarantäne geteilt. Aus Streetstyle wird Sofastyle, Hashtags wie #selfisolation oder #selfquarantine erreichen auf Instagram bereits mehr als 30000 Einträge. Mit irgendetwas muss man den langen Tag schließlich rumkriegen, wenn man sich freiwillig oder unfreiwillig zu Hause einschließt. Nicht posten ist in unseren Zeiten keine Option mehr, und wenn wir auch weder mental noch medizinisch auf die Corona-Krise vorbereitet waren – stilistisch sind die meisten ironischerweise optimal für den Lockdown gerüstet.

Die italienische Fußballikone Andrea Pirlo, die sonst fast immer sehr gut geschnittene Anzüge trägt, postete kürzlich ein Bild aus dem heimischen Exil. Er, seine beiden Teenager-Kinder und die zweijährigen Zwillinge stehen im Garten – alle im kollektiven, gehobenen Sweat-Look. Auch das Model Emily Ratajkowski und ihr Ehemann Sebastian Bear-McClard fotografierten sich in ihrer neuen Netflix-/Homeoffice-Garderobe. Beide ganz in Weiß, passend zur Bettwäsche, er im Oversized-Hoodie und Jogger, sie in Trainingshose und sexy, bauchfreiem Sweat-Top. Wenn schon einsitzen, dann wenigstens mit grenzenloser Barrierefreiheit. Keine Bündchen, Knöpfe, nirgends.

Noch schnell bestellt werden musste das bequeme Zeug höchstwahrscheinlich nicht, die Schränke sind ja bereits voll davon. Sportswear, Athleisurewear, Leisurewear – kaum ein Trend war in den letzten Jahren so prägend wie die Lockermachung der Mode. Jogginghosen (und nicht nur die aus Kaschmir) wurden zunehmend salonfähig, Kapuzenpullover sowieso, zuletzt kehrten auch noch Leggings und Radlerhosen zurück.

Daneben haben Ketten wie Zara, Cos oder Arket alle eigene Home Collections im Programm, die in den letzten Jahren für riesige Umsätze sorgten, weil mit irgendwelchem Hygge-Humbug das Motto »staying in is the new going out« propagiert wurde, was in Zeiten von Ausgangssperren jetzt leider einen arg zynischen Beigeschmack bekommt. Jeder Italiener, Spanier, Österreicher würde gerade seine letzte loungige Wollsocke für ein bisschen Ausgang hergeben. Der Ausdruck »irre gemütlich« war nie wahrer.

Bei fortgeschrittener Quarantäne ist bei manchen allerdings nicht nur ein leichter Lager-, sondern auch eine Art »Leisurekoller« zu beobachten: Wie Kinder, die sich gern verkleiden oder mit Prinzessinnenkostümen hübsch machen, fangen manche Frauen auch irgendwann an, ihre besten Kleider anzuziehen, sich aufzudonnern. Einfach nur so. Der Abwechslung halber. Für sich oder die Follower. Meistens versehen mit der Caption »All dressed up but nowhere to go«. Der tragisch-komische Slogan der Generation Selbst-Isolation.

Wird getragen mit: hochelastischer Würde
Typischer Instagram-Kommentar: »Wie viele Quarantäne-Kilos schafft das Bündchen wohl..?«
Passender Song: »Stay« (Bonnie Bianco, Pierre Cosso – La Boum)