7,62 zu 2,70, soweit der aktuelle Stand. Lady Diana schlug Kate Middleton also um fast fünf Meter in Sachen Schleppe, und man darf davon ausgehen, dass am 19. Mai bei Meghan Markles Hochzeitskleid auch sofort nachgemessen wird: Traut sie sich, ihre Schwägerin der Länge nach zu übertrumpfen? Zieht sie gleich auf oder tritt sie vornehm zurück? Das sind gewichtige Themen dieser Tage. Wie man sich so durchs Leben schleppt. Kennen wir ja alle irgendwie.
Interessant ist der Reflex zu einer gewissen Länge in der modernen Festgarderobe aber schon. Das lässt sich regelmäßig bei den Oscars beobachten – Jennifer Lawrence fiel 2013 bekanntlich beim Gang zum Podium ihrer Schleppe zum Opfer – vor allem aber am ersten Montag im Mai: beim MET Ball in New York, der Kostüm-Schlacht des Jahres. Nirgendwo laufen so viele hochkarätig aufgerüschte Celebrities über den roten Teppich wie bei der Eröffnungsgala zur jährlichen Modeausstellung im Metropolitan Museum of Art.
Thema diesmal: »Heavenly Bodies: Fashion and the Catholic Imagination.« Es geht also um den Einfluss des Katholizismus auf die Mode. Erwartungsgemäß waren viele Göttinnen, Kreuze sowie Rihanna als Mode-Päpstin zu sehen, dazu die üblichen langweiligen Mottocrasher in alibi-rot oder -purpurfarbenen Roben – und eben: sehr viele Schleppen. Jennifer Lopez, Diane Krüger, Blake Lively, Kate Bosworth – gemeinsam hätten sie mit ihren Stoffbahnen christomäßig den halben Trumptower verhüllen können.
Klar, die katholische Kirche liefert hier eine Steilvorlage. Bischöfe und Kardinäle rauschten früher gelegentlich mit knallroter »Cappa magna« herein, einem prunkvollen Mantel mit meterlanger Schleppe, getragen von Messdienern. Das Motto könnte aber auch »Puritanismus« lauten und die Hälfte der Frauen würde wieder mit Anhang erscheinen. Ein Stück fließender Stoff, der hinter einem sanft über den Boden raschelt, triggert offensichtlich immer noch den Prinzessinnen-Traum. So romantisch! So verschwenderisch! So viel Stoff durch den Dreck zu ziehen, muss man sich ja erst mal leisten können. Nach ein paar Stunden ist die Schleppe von unten nur noch ein gräulicher Wischmopp, der den Marmorboden wienert und die verlorenen Haarteile der Kolleginnen zusammenkehrt.
In Zeiten von Instagram zählt aber vor allem dieser Effekt: Nur ein raumgreifender Auftritt ist ein wirklich großer Auftritt, also muss ein »train« her, wie die Schleppe im Englischen heißt, für den ganz großen Bahnhof. Damit ist einem eine gewisse Aufmerksamkeitsspanne bei den Fotografen sicher, weil das sperrige Teil zuverlässig den Verkehr aufhält und andere Celebrities auf Abstand hält. Die Blöße, jemandem wie Madonna auf den Rockzipfel zu treten, will man ja weder ihr noch sich selbst geben. Bei der MET-Gala ist das Terrain besonders gut, weil der Teppich bekanntlich eine Treppe ist, da fließt der Stoff in Kaskaden. Jennifer Lopez schaffte mit ihrem Balmain-Federrock am Ende fünf Stufen. Blake Lively bekam von Versace sogar ein Sechs-Stufen-Kleid. Siegertreppchen.
Was man auf diesen Fotos leider viel zu selten sieht: All die Stylisten und Assistenten, die dafür sorgen, dass die Schleppe optimal liegt, also sich fluffig ausbreitet und nicht irgendwo zusammenknautscht. Genannt werden sie in der Branche dementsprechend: »Floor Fluffers.« Ohne sie, kein rauschendes Fest.
Typischer Instagram-Kommentar: »Darf ich abschleppen?«
Das fragt der Star: »Und wie geht man mit so einem Kleid aufs Klo?«
Das sagt die Stylistin: »Heute besser nicht trinken.«