Der neue Airbus A380, der nun von Hamburg aus seinen Flug um die Welt antritt, belebt eine alte Idee. Wie das Großraumbüro, der Großraumwaggon der Bahn und die Großraumdisco entstammt auch der Plan für dieses Großraumflugzeug dem Fortschrittsdenken der Moderne. Alles sollte weiträumiger, geselliger, effizienter und sogar spaßiger werden – das war einst das Versprechen, das inzwischen allerdings reichlich verblasst wirkt. Mit dem Ehrentitel »größtes Verkehrsflugzeug der Welt« bringt der Airbus nun zwar eine gewisse Sexiness zurück, aber die ist mit leichtem Gruseln erkauft: Seit dem Untergang der Titanic (für kurze Zeit das größte Passagierschiff der Welt) und dem brennenden Zeppelin Hindenburg (bis heute das größte jemals gebaute Luftfahrzeug) klebt auch ein Hauch von Hybris und Katastrophe an solchen Rekorden.
Damit wollen die heutigen Großraumplaner natürlich nichts zu tun haben. Sie argumentieren streng rational: Bis zu 850 Passagiere, auf zwei Etagen in einem vergrößerten Flugzeugrumpf verteilt, sollen den Treibstoffverbrauch sowie Kosten, Lärm- und Umweltbelastung senken. Airbus spricht von Einsparungen bis zu 15 Prozent, der Treibstoffverbrauch pro Kopf soll sich bei guter Auslastung sogar mit den Werten eines Personenzugs messen können. Wenn man wirklich noch fliegen muss, dann also bitte in einer voll gestopften Großraummaschine. Ganz ähnlich waren die Argumente, als in den Sechzigerjahren die Großraumbüros populär wurden: Riesige Räume voll schulterhoher Trennwand-Zellen mit Schreibtisch und Computer versprachen optimale Raumausnutzung, kurze Wege, hohe Transparenz und flache Hierarchien – und oft genug, wie beim Großraumpionier Intel, auch eine besondere Firmenphilosophie: Lange beharrte der oberste Chef dort darauf, wie alle anderen Mitarbeiter in seinem »Cubicle« zu hocken.
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Als bevorzugtes Filmmotiv der Arbeitswelt – wie anders sollte man die Größe eines Großunternehmens auch darstellen? – gewann das Großraumbüro dann eine hohe symbolische Sichtbarkeit, aber der Traum von Offenheit und Gleichheit bei minimaler Privat-sphäre und ebensolchen Platzbedürfnissen blieb doch irgendwie prekär. Zugespitzt führt er ja auch geradewegs zur Massentierhaltung und zum Horror der Legebatterie. Erst mit der Einführung des Großraumwaggons der Bahn bekam die Idee einer offenen Gemeinschaft dann positivere Aspekte, erlöste sie doch von dem Horror, mit nur wenigen (falschen) Mitreisenden in einem engen Abteil zu leiden. Die Großraumdisco schließlich fügte dann noch die kollektive Emotion hinzu: Musik, Körpergefühl und Party-stimmung mit vielen zu teilen, das verstärkte das eigene Erleben, gleichzeitig stieg die Zahl der potenziellen Flirtpartner stark an und damit der Genpool der lokalen Partnersuche.
Schwer zu sagen ist allerdings, welches Großraumgefühl sich im Airbus A380 nun durchsetzen wird: Ist man euphorisiert bei dem Gedanken, sich mit so vielen Mitreisenden in die Luft zu erheben, vereint in der Vorfreude auf ein gemeinsames Ziel? Wird man eingezwängt leiden, sich aber trösten mit dem Gedanken an die Effizienz, sich sozusagen zusammenkauern bei dem Versuch, die eigenen CO2-Sünden möglichst klein zu halten? Oder sollte man sich gar auf die wachsende Zahl möglicher Zufallsbekanntschaften in der Toilettenschlange freuen?
Fest steht schon jetzt, dass gerade der Massentransport auch neue Möglichkeiten der Distinktion schafft: Die First-Class-Dusche, die Emirates in den A380 einbauen ließ, fühlt sich sicher gleich dreimal so gut an, wenn man beim Shampoonieren an die ungezählten dicht gepackten, schwitzenden Mitreisenden auf dem Unterdeck denkt. »Zusammen ist man weniger allein«, dieser einfältige Filmtitel könnte am Ende auch gut das Motto für die Renaissance des Großraums sein. So wird der neue Riesenjet zum Symbol einer zusammenrückenden Welt, in der wir zwar ganz und gar nicht alle gleich sind, aber trotzdem irgendwie im selben, äh, Boot sitzen.