»Wir haben pro Woche drei, vier Bettwanzenfälle«

Als Schädlingsbekämpfer bekommt es Manfred Gorzitze auch mal mit Wüstenskorpionen und Wildenten zu tun. Hier erzählt er, wie Fernreisen und Klimawandel seine Arbeit verändern - und warum er aus Versehen einen Drogenzüchter überführte.

Illustration: Lina Müller

SZ-Magazin: Sie arbeiten seit 20 Jahren als Schädlingsbekämpfer. Wegen welches Schädlings rücken Sie am häufigsten aus?
Manfred Gorzitze: Mäuse, Ratten, Schaben – nach wie vor. Ich gehe aber davon aus, dass es dieses Jahr wieder mehr Wespen und Insekten sein werden, weil der letzte Winter mild war.

Heißt das, dass das Klima Ihre Arbeit verändert?
Ja. Dadurch kommen ständig neue Tiere dazu. Zum Beispiel die Waldschabe oder der asiatische Marienkäfer. Die hat es in Deutschland früher nicht gegeben. Das hat aber auch durch die Globalisierung sehr zugenommen.

Wie das?
Jeder kann heute überall hinreisen und die Tiere so einschleppen. Als ich 2000 anfing als Schädlingsbekämpfer zu arbeiten, haben wir zwei-, dreimal im Jahr Bettwanzen behandelt. Heute haben wir pro Woche drei, vier Bettwanzenfälle. Einmal hat uns eine Bäckerei aus einem Supermarkt wegen eines Skorpions angerufen. Tatsächlich war dort ein acht Zentimeter großer Wüstenskorpion mit den Bananenkisten angeliefert worden.

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War das das exotischste Tier, das Sie einfangen mussten?
Einmal habe ich auf einem Dachboden eine überraschende Entdeckung gemacht. Den Beschreibungen der Kundin nach schloss ich erst auf einen Marder. Als ich über den knarrenden Holzboden lief, hörte ich noch etwas anderes: ein leises Piepen. Ich holte mein Werkzeug und löste einige Bretter. Da blickte mich aus dem Hohlraum plötzlich eine kleine Wildente an. Der Marder hatte wohl ein Entenei stibitzt und auf den Dachboden gebracht. Warum auch immer, muss er es dort vergessen haben. Im Sommer heizte sich der Speicher schnell auf weit über 30 Grad auf und brütete das Ei aus. Irgendwann schlüpfte das Entlein dort.

Der Fall, der Ihnen am stärksten in Erinnerung geblieben ist, hat aber nichts mit Tieren zu tun. Warum wurden Sie damals gerufen?
Ich hatte bereits Feierabend gemacht. Dann rief mich kurz nach halb elf abends die Polizei an und sagte, es habe einen Leichenfund in einer Wohnung gegeben. Die Wohnung müsse dringend desinfiziert und die Gerüche müssten beseitigt werden.

Ist das normal, dass Schädlingsbekämpfer bei Leichenfunden gerufen werden?
Ja, immer wieder. Wenn eine Leiche länger in einer Wohnung liegt, dann entsteht ein massiver Insektenbefall, hauptsächlich Speckkäfer und Fliegen. Der Körper ist eine organische Substanz und wird natürlich von allen möglichen Bakterien und Insekten zersetzt. Der Geruch zieht dann durch die Türen, Rohrverbindungen und Kabelschächte.

»Kaum stand die Tür zehn Zentimeter auf, waren die Beamten wieder verschwunden, denn bei einem Leichenfund stinkt die Wohnung wirklich bestialisch«

Sehr unangenehm.
Ja, deshalb bin ich natürlich schnell losgefahren. Leider hatte ich auf dem Weg zu der Wohnung einen Platten, musste mein Auto abstellen und mir ein Taxi rufen. Ich ließ mich zur Polizeistelle bringen und mir dort von einem Beamten den Namen, die Adresse und das Stockwerk aufschreiben und die Schlüssel der Wohnung aushändigen. Doch als ich vor Ort ankam, ließ sich die Tür nicht öffnen.

Was war los?
Der Schlüssel passte einfach nicht ins Schloss. Also rief ich noch mal die Polizei an, die bekamen die Tür aber auch nicht auf. Schließlich musste die Feuerwehr ran. Kaum stand die Tür zehn Zentimeter auf, waren die Beamten wieder verschwunden, denn bei einem Leichenfund stinkt die Wohnung wirklich bestialisch. Und der Leichengeruch hängt ganz furchtbar in den Klamotten. Das wollten die sich nicht antun. Ich zog also allein meinen Schutzanzug und meine Atemschutzmaske an, ging rein und dachte: Was haben die denn? Hier ist doch nichts.

Kein Gestank? Keine Würmer?
Nein. Ich suchte jeden Raum nach der Leichenfundstelle ab. Die fand ich aber nicht. Dafür staunte ich nicht schlecht, als ich in die Küche kam: Dort standen über zwanzig Marihuana-Pflanzen. Die waren bestimmt alle 1,80 Meter hoch, mitten im Raum. Dann war da noch eine spezielle Wärmelampe aufgebaut. Das sah alles sehr professionell aus.

Was haben Sie gemacht?
Noch mal bei der Polizei angerufen und gefragt: Habt ihr denn die Pflanzen nicht gesehen? In dem Moment wurde uns allen klar, dass ich in der falschen Wohnung war. Der Beamte hatte mir auf der Polizeistelle das falsche Stockwerk aufgeschrieben, weil er die Namen des Verstorbenen und des Nachbarn, der die Polizei gerufen hatte, vertauscht hatte.

Wissen Sie, was aus dem Bewohner und seiner Hanf-Plantage geworden ist?
Nein. Drei Polizisten haben alles ausgeräumt und beschlagnahmt. Aber was danach passiert ist, welche Strafe er bekommen hat: keine Ahnung. Das Absurde ist, derjenige, der die Marihuana-Pflanzen angebaut hat, hatte wohl gemeldet, dass er den Nachbarn, der über ihm wohnt, schon lange nicht mehr gesehen hat. So kann es gehen. Ich selbst war um halb 5 Uhr morgens endlich mit meiner Arbeit fertig – dann in der richtigen Wohnung.