Eigentlich ist es ganz einfach: Ein Bahnunternehmen braucht Züge und Mitarbeiter, um Passagiere transportieren zu können. Fehlt etwas davon, wird es schwierig. Im Saarland und in Rheinland-Pfalz sieht die Politik es allerdings nicht so eng mit diesem Zusammenhang. Der private Bahnbetreiber Vlexx hat am 15. Dezember vier Zug-Linien im Saarland übernommen. Eine entsprechende Ausschreibung des Landes hatte das Unternehmen 2017 gewonnen – in der Zwischenzeit aber weder die nötigen Züge noch das Personal für deren Betrieb zusammen bekommen. Trotzdem entzog das SPD-geführte Verkehrsministerium Vlexx den Auftrag nicht.
Stattdessen fand sich eine andere, für die Fahrgäste sehr nachteilige Lösung. Die Züge leiht Vlexx erstmal – und weil das Personal dafür nicht da ist, wird es eben von anderen Linien des Unternehmens abgezogen. Das bedeutet: In Rheinland-Pfalz fallen deshalb zehn Prozent der Züge aus, außerdem werden im Saarland weniger Züge fahren als vor der Betriebsübernahme durch Vlexx. Durch die Konkurrenz auf der Schiene, so war mal die Idee, sollte sich das Angebot für die Fahrgäste eigentlich verbessern. Hier verschlechtert es sich. Und Fahrgastrechte können Reisende auch nicht geltend machen – der Fahrplan wurde regulär ausgedünnt, so dass keine Beschwerdemöglichkeit besteht. Ein Pendler schrieb mir, dass er deshalb jetzt nicht mehr rechtzeitig zur Arbeit komme – aber weiter den gleichen Preis für sein Ticket bezahlen müsse.
Noch nie habe ich eine solche Häufung von Fahrgast-feindlichem Verhalten erlebt wie in Vlexx-Zügen
Wie es anders geht, zeigte der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr. Als sich abzeichnete, dass der Bahnbetreiber Keolis zu wenig Personal für den Betrieb zweier S-Bahnlinien im Ruhrgebiet haben würde, kündigte der VRR den Vertrag, noch bevor Keolis den Betrieb übernommen hatte. »Viele private Bahnen haben sich mit dem Personal verkalkuliert«, sagt Detlef Neuß vom Fahrgastverband Pro Bahn. »In die Ausbildung wurde wenig investiert, das rächt sich jetzt.«
Als regelmäßiger Fahrgast habe ich ebenfalls den Eindruck, dass Vlexx nicht besonders in Rekrutierung und Ausbildung der Mitarbeiter investiert. Ich will nicht verschweigen, dass das Unternehmen auch ausgesprochen freundliche Zugbegleiter beschäftigt. Aber noch nie habe ich eine solche Häufung von Fahrgast-feindlichem Verhalten erlebt wie in Vlexx-Zügen. Einmal saß ich neben einem jungen asiatischen Mann mit Geigenkoffer. Bei der Fahrkartenkontrolle zeigte dieser sein Ticket. »Die Bahncard?«, fragte der Zugbegleiter. Der junge Mann zeigte eine Karte. Der Zugbegleiter schüttete den Kopf. »Das ist keine Bahncard, sie haben keinen gültigen Fahrschein.« Es stellte sich heraus, dass der Musiker eine gerade abgelaufene Bahncard hatte, diese aber mit seiner Bahn Bonus-Karte verwechselt hatte (die nur zum Prämienpunkte-Sammeln berechtigt, aber keine Vergünstigung bietet). Offensichtlich war sein Deutsch nicht gut genug, um die Nuancen des Ticketsystems zu verstehen. Für mich eindeutig ein Fall, bei dem der Zugbegleiter hätte kulant sein müssen, zumal der Bahncard-Rabatt in dem Verkehrsverbund ohnehin minimal ist. Aber der Schaffner blieb hart. Ich mischte mich ein und schlug vor, dass der Fahrgast doch online eine Probe-Bahncard 25 kaufen könne. Auch das lehnte der Zugbegleiter ab: Er zwang den armen Mann, an der nächsten Haltstelle auszusteigen, um dort ein neues Ticket zum vollen Preis zu lösen – bei Kälte, Nieselregen und Dunkelheit, an einem verlassenen Provinzbahnhof.
Mich wollte eine Vlexx-Zugbegleiterin mal aus dem Zug werfen, weil ich eine gültige Zeitkarte für ein Drittel der Strecke hatte und dann bei ihr ein Ticket für den Rest der Fahrt lösen wollte. Denn dies war an meinem Start-Bahnhof nicht möglich gewesen (anderer Verkehrsverbund). Ich blieb sitzen, wurde als Schwarzfahrer behandelt und ließ es auf eine Beschwerde ankommen – mit Erfolg. Solch absurde Situationen erlebe ich bei Vlexx ständig.
Beim Fahrgastverband Pro Bahn kennt man allerdings auch positive Beispiele von privaten Konkurrenten der Bahn. »Abelio und die Regiobahn erzielen bei der Kundenzufriedenheit zum Beispiel regelmäßig sehr gute Werte«, sagt der Vorstandsvorsitzende Neuß. Vielleicht könnte Vlexx seine Mitarbeiter dort nachschulen lassen, viele hätten es nötig.