Ist die Auffassung Ihrer Freundin richtig? Alle Zahlen und Untersuchungen sprechen dagegen. Darf das einem Partner gleichgültig sein? Nein, Sie können Ihre Freundin angesichts dieser Umstände nicht sehenden Auges in ihr Unglück rennen oder fahren lassen. Also tragen Sie Verantwortung. So weit, so gut. Aber welche Konsequenzen sind daraus zu ziehen? Zunächst müssen Sie Überzeugungsarbeit leisten; aber wenn das nichts hilft, wie geht’s weiter? Eine womöglich herbeigerufene Polizeistreife wird kaum vor dem Haus patrouillieren, um rechtzeitig einzugreifen. Das Wegnehmen der Autoschlüssel mag eine Trunkenheitsfahrt verhindern, hier müssten Sie sie auf Dauer einschließen und die Ersatzschlüssel dazu. Am Ende sehe ich Sie die Luft aus den Reifen lassen, den Verteiler demontieren, den Wagen sonst irgendwie außer Betrieb setzen oder Ihre uneinsichtige Freundin mit Gewalt am Fahren hindern. So absurd das alles klingt, es offenbart einen Grundsatz, der schon im römischen Recht galt: »Ultra posse nemo obligatur – Über sein Können hinaus ist niemand verpflichtet«. Ihre Pflicht, etwas zu unternehmen, kann nicht weiter gehen als Ihre Möglichkeiten und die enden bei der Entscheidungsfreiheit des anderen, solange dieser Herr seiner Sinne ist.Was bleibt Ihnen? Sie können statt nur mit Ihrer Meinung mit Belegen und harten Fakten argumentieren. Sie können sich weigern, im Auto mitzufahren. Aber Sie tragen keine umfassende Verantwortung für das Handeln Ihrer Freundin. Überlegen Sie doch einmal ein anderes Beispiel: Wenn ein Ihnen nahe Stehender raucht und alle gesundheitlichen Warnungen für Humbug hält, sollten Sie ihn auf die Gefahren hinweisen; mit dem Gartenschlauch neben ihm stehen, um jede Glut im Keim zu ersticken – das müssen Sie nicht und dürfen Sie nicht. Jeder Mensch hat auch ein Recht auf Unvernunft.
Die Gewissensfrage
»Ein Bekannter hatte vor einigen Jahren einen schweren Autounfall. Da er nicht angeschnallt war, wurde er aus dem Auto geschleudert und hat dadurch mit mehr Glück als Verstand überlebt. Nun hat sich meine Freundin in den Kopf gesetzt, dass es sicherer sei, unangeschnallt Auto zu fahren. Meine Gegenargumente stoßen auf taube Ohren, schon oft gab es darüber Streit. Ich habe alles probiert – und inzwischen aufgehört, sie auf ihren Leichtsinn hinzuweisen. Muss ich ein schlechtes Gewissen haben, wenn sie sich bei einem Unfall verletzt, weil sie nicht angeschnallt war?«
GERRIT S., MÜNCHEN