Letzten Sommer saß ich einmal – die Last der Moralfragen hatte mir überraschend eine kurze Pause gewährt – in einem solchen Café im Freien, als eine Gruppe von Straßenmusikanten herannahte. Sie bauten sich vor den Tischen auf und wollten gerade zu spielen beginnen, da rief eine Frau in der ersten Tischreihe laut und deutlich »Nein!!!«. Ein Nein, dem man anhörte, über welche Zeit und über wie viele Dutzende, wenn nicht Hunderte von Straßenmusikantenmelodien es sich angesammelt hatte, bevor es nun endlich herausdurfte. Auf der gesamten Fläche des Cafés wurde es ob des Unerhörten mit einem Schlag totenstill, die Gespräche verstummten, alle Blicke richteten sich auf die Urheberin – bis lauter Beifall losbrach.
Verdutzt packten die Musiker ihre Instrumente ein und zogen weiter. Es fehlte nicht viel und die mutige Nein-Ruferin wäre auf den Schultern durch die Menge getragen worden. Es war, als hätte sie gezeigt, dass man schlechtes Wetter oder andere Schicksalsschläge durch ein schlichtes Wort abwenden kann. Leider hielt das nicht lange vor; die Fiedler begriffen sehr schnell, Derartiges durften sie nicht einreißen lassen. Angesichts des Erfolges bestand die Gefahr, das Rufen könnte schnell Schule machen und in einem Flächenbrand der gesamten Dudel-Trommel-Branche den Garaus bereiten. Nach einer Schreckminute kamen sie zurück und spielten doppelt lange, um ihr Terrain und ihr »Geschäftsmodell« zu verteidigen.
Vergeblich war das Rufen dennoch nicht, es blieb die Erkenntnis: Warum sollten Sie etwas zahlen? Belästigt zu werden schafft keine Verpflichtung. Wenn Sie die Musik erfreut hat, geben Sie so viel, wie Ihnen die Freude wert war. Waren Sie genervt, geben Sie nichts. Oder rufen Sie »Nein!«
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