In einer seiner Geschichten beschreibt der israelische Satiriker Ephraim Kishon, wie er und seine Frau von einem Onkel ein großes, hässliches Ölgemälde geschenkt bekommen, das sie erst wieder ruhig schlafen lässt, als sie es mit der Vorderseite zur Wand auf den Balkon stellen. Dies geht nur so lange gut, bis der Onkel überraschend zu Besuch kommt und sie es gerade noch schaffen, das Bild aufzuhängen. Um für die Zukunft gewappnet zu sein, veranstalten sie daraufhin nächtliche Alarmübungen und schaffen es so, den Ölschinken in Rekordzeit an die Wand zu drapieren.Was schließen wir daraus? Dass die besten Geschichten nicht das Leben, sondern Ephraim Kishon schreibt? Dass Sie doch auch die »unanständige Lösung« wählen sollten? Wahrscheinlich keines von beiden, sondern dass das Schenken von Wandschmuck und anderem Zierrat generell Probleme in sich birgt.Die wenigsten vermeintlich großzügigen Schenker machen sich klar, was für ein kühnes Unterfangen dies darstellt: Einem anderen etwas zu schenken, das nur dann Freude bereitet, wenn es dem Geschmack des Empfängers entspricht. Wer das trotzdem unternimmt und dann aber auch noch erwartet, dass der Beschenkte das Präsent auf alle Fälle zur Schau stellt, schenkt in Wirklichkeit nichts, er nimmt sich vielmehr etwas. Er maßt sich Gestaltungshoheit über eine fremde Wohnung an und okkupiert gewissermaßen das entsprechende Wandstück. Das ist nicht Schenken, sondern das Gegenteil: Raub. Wandraub. In den meisten Fällen bezweifle ich sogar die gute Absicht; es scheint mir schlicht selbstbezogen oder gedankenlos. Im Ergebnis stellt dieser ästhetische Eingriff jedoch einen aggressiven Akt dar. Dem müssen Sie sich nicht beugen.Was ich Ihnen rate? Die Bilder keinesfalls aufzuhängen. Wenn Ihre Nichte Takt besitzt, wird sie nicht nachhaken. Wenn sie es dennoch tut, muss sie mit der Wahrheit leben.
Die Gewissensfrage
»Meine Nichte und Patentochter hat mir mehrere selbst gemalte Bilder geschenkt, die meinem Geschmack nicht entsprechen, weswegen ich sie nicht aufgehängt habe. Sie wird mich demnächst besuchen kommen. Einerseits möchte ich sie nicht verletzen, andererseits soll meine Wohnung meinen Geschmack wiedergeben. Die Bilder nur für ein Wochenende aufzuhängen wäre für mich eine unanständige Lösung. Was raten Sie mir?« BARBARA L., POTSDAM