Die Gewissensfrage

»Zu meinem Geburtstag bekam ich von einer Freundin einen rosa Kerzen-Buddha aus Wachs. Zuerst freute ich mich, doch dann erschien mir das Geschenk zunehmend unpassend, ja geradezu frech. Ich bin weder gläubiger Christ noch Buddhist, doch das religiöse Symbol so zu verunstalten erschien mir fast gotteslästerlich. Was würden Christen sagen zu einem rosa Jesus mit Docht im Kopf? Ich habe die Buddha-Kerze aussortiert. Bin ich zu empfindlich?« CORINNA M., Berlin

Das reale Verbrennen von Heiligen ist ja glücklicherweise aus der Mode gekommen. Und auch das Abbrennen von Wachsfiguren bereitet ein gewisses Unbehagen. Andererseits kennt die Volksfrömmigkeit Motivkerzen sogar mit Jesusbild oder -relief, die bald nach Entzünden einen geköpften Heiland zeigen. Und im bunten Katholizismus Lateinamerikas wäre man über entsprechende Kerzenstatuen nicht völlig verwundert. Doch dürfte das für Ihre Frage gar keine so große Rolle spielen.

Hinter Ihrem »Was würden Christen sagen?« steckt nämlich implizit die goldene Regel »Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem andern zu«. Und hier läuft man Gefahr, ihrem Hauptfehler zu erliegen: der Subjektivität. Was Christen wollen oder nicht, sagt sehr wenig über andere Religionen aus. Tatsächlich haben meine Nachfragen bei einer Expertin für Religionsästhetik ergeben, dass man, soweit sich das für die vielen Schulen sagen lasse, im Buddhismus wohl weniger Probleme mit dieser Kerze hätte, da zum Beispiel Buddha-Kekse sehr beliebt seien, weil sie das Heilige darstellten, dem man nahe sein will.

Generell seien stets weniger eine Form als vielmehr die mit ihr ver-bundenen Gedanken von Bedeutung und die von Orten ausgehende Kraft, die auch von der persönlichen Zuordnung abhängt. Die Frage, ob das Abbrennen oder Aufessen von Heiligenfiguren eher fromm oder gotteslästerlich ist, scheint also in erster Linie davon abzuhängen, mit welchen Gedanken und Absichten es geschieht: andächtig oder despektierlich.

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Eine Verwendung der Kerze statt zur Kontemplation zum Mückenvertreiben oder als Hintergrundbeleuchtung beim Fernsehen würde man wohl eher despektierlich nennen. Sie haben offenbar eine entsprechende Zuordnung vorgenommen, und schon damit sind Ihre Bedenken berechtigt.

Illustration: Jens Bonnke