Was wollten Sie als Gastgeschenk mitbringen – außer Ihren Viren? Ein medizinisches Lexikon? Einen Bildband mit den schönsten Krankheitssymptomen? Wann wollten Sie von Ihrer Erkrankung berichten, nach einem herzlichen Begrüßungsküsschen? Sie merken, ich bin nicht wirklich angetan.
Tatsächlich führt der ICD-10, die internationale Klassifikation der Krankheiten, die Hypochondrische Störung, was so etwas wie eine offizielle Anerkennung bedeutet. Aber das scheint mir ziemlich irrelevant. Der Gastgeber ist so, wie er ist, egal ob sein Leiden die Fachwelt überzeugt. Sie sind doch keine Behörde, der das Kranksein mit Brief und Siegel nachgewiesen werden muss. Warum treffen Sie sich zum Abendessen? Vermutlich weil Sie zusammen Spaß haben wollen. Wenn dem Gastgeber wegen Ihres Zustandes der Spaß vergeht, wird die Verabredung sinnlos. In so einem Fall kann man einfach anrufen. Selbst der übelste Hypochonder lässt sich dabei meist mit dem Hinweis beruhigen, man spreche von einem drahtlosen Telefon aus, also sei auch kein Kriechen der Mikroben durch das Kabel zu befürchten. Wenn ihm dann nicht schon bei der Schilderung Ihrer Krankheitssymptome der Hals zuschwillt, kann er entscheiden, ob er Sie dennoch sehen will oder nicht. Und genauso verhält es sich gegenüber den anderen Gästen. Biowaffencontainer und gesellige Abende vertragen sich nur mäßig. Umso mehr, wenn der Container in regelmäßigen Abständen explodiert und seinen Inhalt in die Umgebung versprüht. Natürlich muss man im Winter mit erkälteten Mitmenschen rechnen und kann umgekehrt mit Schnupfen nicht jeden öffentlichen Termin vermeiden. Mit freiwilligen Treffen sollten die potenziellen Opfer jedoch einverstanden sein. Und nebenbei bemerkt gilt auch dann zumindest die Grundregel der Rücksicht und Hygiene: Als Kranker Händeschütteln vermeiden!
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Illustration: Jens Bonnke